Nichts Neues über Muhammad Ali, aber ein passabler Boxerfilm mit Sozial- und Polit-Touch.

Ali

Nichts Neues über Muhammad Ali, aber ein passabler Boxerfilm mit Sozial- und Polit-Touch.

24.11.2015

Von che

Ali

Wäre Muhammad Ali bloß der beste Boxer aller Zeiten, könnten heute vermutlich nur noch militante Sportteil-Leser seinen Namen richtig buchstabieren. Aber Ali war mehr. Mit spektakulären Aktionen außerhalb des Rings - der Verleugnung seines „Sklavennamens? Cassius Clay, dem Übertritt zum Islam, der Weigerung, in den Vietnam-Krieg zu ziehen - wurde er zum Repräsentanten der sozialen Unterströmungen in den USA der sechziger und siebziger Jahre. Erst die Verknüpfung von Sport und Politik machte ihn zur Legende: einer Malcolm X und Martin Luther King durchaus ebenbürtigen Galionsfigur afroamerikanischen Selbstbewusstseins.

Wer von der Verfilmung seines Lebens (es geht hier um den entscheidenden Zeitraum zwischen 1964 und 1974) eine reine Sportler-Biografie erwartet, wird deswegen zu Recht enttäuscht. Zwar sind die Kämpfe, besonders die legendären gegen Joe Frazier und George Foreman, die kraftvollsten und mitreißendsten Szenen, doch im Zentrum des Interesses steht eindeutig Ali als soziale Figur. Schon deswegen ist der Film weit entfernt von einem Heldenepos. Regisseur Michael Mann („The Heat?) hatte den an sich lobenswerten Ehrgeiz, den Champ in allen Lebenslagen und Charakterschattierungen zu zeigen: als Großmaul, sensiblen Grübler, PR-Strategen, Box-Genie, Frauenverbraucher, Slam-Poeten, verbohrten Ideologen und mutigen Aufmupf, der seinen (zuweilen recht verqueren) Überzeugungen fünf Karriere-Jahre und Millionen von Dollar opferte.

Was diesem Potpourri jedoch völlig fehlt, ist eine Fragestellung oder Hypothese. Unschlüssig schlendert der Regisseur von einer Lebensstation zur nächsten, schichtet nach und nach eine erdrückende Materialfülle auf, ohne daraus irgendeine Erkenntnis ziehen zu wollen. Ali, so lernen wir, war eine widersprüchliche Persönlichkeit mit kompliziertem Charakter. Wer hätte das gedacht?

Mann bekommt diese schwierige Biografie also nicht in den Griff, aber wenigstens scheitert er auf hohem Niveau. Viele Einzelepisoden sind virtuos inszeniert, oft rückt die Kamera in Direct-Cinema-Manier dem Geschehen ganz dicht auf die Pelle, und der Soul-Soundtrack ist sowieso erste Sahne. Solche Schau- und Hörwerte verhindern jedenfalls, dass während der zweieinhalb Stunden allzu große Langeweile aufkommt. Hieße der Film nicht „Ali?, sondern „Rocky VI?, könnte man ihn vielleicht sogar richtig gut finden.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 03sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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