Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Caroline Link erzählt in dieser Romanverfilmung von der kleinen Anna, deren Leben 1933 auf der Flucht aus den Fugen gerät.

24.12.2019

Von Dorothee Hermann

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Auf einem turbulenten Berliner Faschingsfest für Kinder irritieren drei kleine Nazis, die als einzige unverkleidet aufgetaucht sind – als Hitlerjungen. Doch auch die Geborgenheit der prächtigen Villa im Grunewald scheint seltsam instabil. Annas geliebte Kindheitswelt verändert sich für immer, als ihr Vater über Nacht verschwindet, obwohl er krank ist: Als sich vor der Reichstagswahl im März 1933 ein für die NSDAP günstiger Wahlausgang abzeichnet, flieht der erklärte Hitlergegner Arthur Kemper (Oliver Masucci) aus Deutschland.

Auch die Familie muss nun schnellstmöglich das Land verlassen: Mutter Dorothea (Carla Juri), deren Karriere als Pianistin jäh abbricht, sowie die Kinder Max (Marinus Hohmann) und Anna (großartig: die elfjährige Kinderdarstellerin Riva Krymalowski). Die Neunjährige darf nur eines ihrer Kuscheltiere mitnehmen.

Das titelgebende rosa Kaninchen muss sie ebenso in Berlin zurücklassen wie die warmherzige Haushälterin Heimpi (Ursula Werner als Fräulein Heimpel). Es ist nicht sicher, ob die drei es überhaupt über die Grenze in die Schweiz schaffen, wo der Vater sie erwartet. Auf die erzwungene Enteignung reagiert Anna scheinbar naiv: „Hoffentlich ist Hitler lieb zu meinem Kaninchen.“ Aber die Kindersicht entspricht der Perspektive des autobiografisch gefärbten Jugendbuches „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, das 1971 zunächst auf Englisch erschien: „When Hitler Stole Pink Rabbit“.

Die deutsche Regisseurin Caroline Link („Der Junge muss an die frische Luft“) hat den internationalen Bestseller nun für das Kino adaptiert. Autorin Judith Kerr, Tochter des großen Berliner Theaterkritikers Alfred Kerr, verarbeitete darin die Erfahrungen ihrer Familie bei der Flucht vor den Nazis.

In dem urigen schweizerischen Bergdorf, wo die Familie zunächst unterkommt, spielt noch sehr am Rande eine Rolle, wer Freund und wer potenzieller Todfeind ist. Doch an der nächsten Station ihres Exils, in Paris, macht die hasserfüllt-antisemitische Vermieterin (Anne Bennent als Madame Prune) klar, dass Erwachsene offen bösartig sein können – als wären die gewohnten zivilen Umgangsformen außer Kraft gesetzt. Doch der Schrecken bleibt momenthaft: Als in der ärmlichen, engen Pariser Wohnung die Sicherung durchbrennt, befürchtet Anna, dass gleich die Nazis kommen und die Familie doch noch erwischen. Widerstrebend lernen die Kinder, dass Exil bedeutet, immer wieder neu anzufangen und in schwierigen Situationen über sich hinauszuwachsen. Doch das vollzieht sich allzu glatt. Es bleibt immer erwartbar, was als nächstes geschieht.

Manchmal klingt Anna arg altklug. Dennoch ist die Leinwandadaption als Familienfilm sicherlich gelungen. Wer das Buch kennt, braucht die Kinoversion nicht unbedingt, würde sich aber um die famose Hauptdarstellerin Riva Krymalowski bringen, die alle anderen an die Wand spielt, ohne es darauf anzulegen. Judith Kerr konnte den Film nicht mehr sehen. Sie starb am 22. Mai 2019 in London, kurz vor ihrem 96. Geburtstag.

Qualitätvolle Verfilmung des Jugendbuchklassikers; aber die Herzigkeit wird nicht jedem zusagen.

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

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Erstellt:
24.12.2019, 01:08 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 26sec
zuletzt aktualisiert: 24.12.2019, 01:08 Uhr

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