Regisseur Ridley Scott ist gerade 70 geworden. Sein Film ist ein leuchtendes Argument für die Rente mit 80.

American Gangster

Regisseur Ridley Scott ist gerade 70 geworden. Sein Film ist ein leuchtendes Argument für die Rente mit 80.

23.11.2015

Von che

Im Jahr, als Martin Luther King ermordet wurde, hat Frank Lucas (Denzel Washingtion) einen Traum. Der Afroamerikaner aus Harlem möchte ohne Bevormundung ein Gewerbe aufziehen. Geschäftszweck: Handel mit Heroin, das sich gerade zum Massenkonsumgut entwickelt. Lucas (und ein paar andere) agieren dabei so erfolgreich, dass US-Präsident Richard Nixon im Jahr darauf, 1969, die Drogen zum Staatsfeind Nummer eins erklärt.

Zu dessen Bekämpfung im Raum New York wird der Polizist Richie Roberts (Russell Crowe) mit der Bildung einer Einsatzgruppe beauftragt. Seine Befähigung: Er gilt als ehrliche Haut in einem durch und durch korrupten Polizeiapparat. Zwar ist Roberts mehr schmuddeliger Underdog als strahlender Held, doch immerhin so fleißig und zäh, dass die Schlinge um Lucas? Hals im Lauf der Jahre immer enger wird. Dass nebenbei seine Ehe in die Brüche geht, nimmt der Vollblut-Ermittler achselzuckend hin.

Wer von Ridley Scotts Doppelporträt zweier historischer Figuren der amerikanischen Kriminalgeschichte das übliche Katz-und-Maus-Spiel zwischen Cop und Gangster erwartet, wird enttäuscht werden. Klassische Krimispannung gibt es allenfalls im hinteren Drittel. Der große Rest ist ein ziemlich verästeltes „Lehrstück der politischen Ökonomie? (Georg Seeßlen) anhand zweier zeittypischer Charaktere, die psychologisch noch nicht einmal besonders vertieft werden.

Im Minutentakt führt Scott Einzelphänomene vor, die nach und nach ein zusammenhängendes Geflecht ergeben: Der Vietnamkrieg als Basis für Lucas? Heroinbeschaffung und zugleich als wichtigste Ursache der massenhaften Nachfrage nach Drogen. Die Verluderung der Staatsmacht vom Präsidenten bis hinunter zum Streifenpolizisten. Der einsetzene Umbruch im organisierten Verbrechen von mafiös-patriarchalen Strukturen hin zu kühlem kapitalistischem Kalkül (Luacs vereint beide Seiten). Die stecken gebliebene Gleichberechtigung der Afroamerikaner, die in Aufstiegsträume durch die kriminelle Hintetür mündet. Eine der Schlüsselszenen zeigt, wie Lucas seine bäuerlich arme Südstaatenfamilie voller Stolz in einem prächtigen Herrenhaus unterbringt.

Ein weniger stilsicherer Regisseur als Scott könnte sich mit so etwas leicht verzetteln. Der Macher von „Blade Runner? und „Black Hawk Down? legt indes eine bildnerische Gestaltungskraft an den Tag, dass man fast jede Einstellung vor Freude zum Stillstand bringen möchte. Die Assoziationsräume öffnende Montage, das präzise, manchmal beinahe skrupulös gezügelte Spiel der beiden Hauptdarsteller und die erfreulich klischeefreie Popsong-Kollektion als Katalysator der Zeitstimmung machen „American Gangster? vollends zu einem heißen Klassiker-Kandidaten.

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