Capernaum - Stadt der Hoffnung

Capernaum - Stadt der Hoffnung

Ein libanesischer Zwölfjähriger verklagt seine Eltern, damit sie keine weiteren Kinder in diese chaotische Welt setzen.

15.01.2019

Von Madeleine Wegner

Capernaum - Stadt der Hoffnung
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Kinder spielen in den Straßen der Stadt Krieg. Mit selbstgebastelten Gewehren aus Holzlatten und Müll zielen sie aufeinander. Aus dem Spiel wird schnell ernst: Schon in der nächsten Szene trägt einer der Jungen Handschellen, er wird aus der Zelle in einen Gerichtssaal geführt. Der Zwölfjährige soll eine Haftstrafe von fünf Jahren absitzen. „Weil ich einen Hurensohn niedergestochen habe“, sagt das schmächtige Kind dem Richter gegenüber.

Zain (eine Entdeckung: Zain Al Rafeea) steht schon zum zweiten Mal vor Gericht. Doch diesmal in einer anderen Rolle: Er verklagt seine Eltern, dass sie Kinder in die Welt setzen, obwohl sie diese nicht versorgen können. In Rückblenden erzählt „Capernaum – Stadt der Hoffnung“ nun die bittere Geschichte des Jungen und anderer Kinder, die sich auf den Straßen Beiruts durchschlagen und um ihr Überleben kämpfen.

Zains Zuhause ist eine winzige Wohnung, in der unzählige Geschwister leben. Der Vater trinkt, die Mutter raucht, für regelmäßige Mahlzeiten reicht das Geld nie. Die Kleinsten sind angekettet, damit sie keinen Unfug machen, Zain wird mit Schlägen, Fußtritten und Beschimpfungen auf Kurs gehalten.

Seine Eltern wissen nicht, wann genau er geboren wurde, sie haben keine Papiere für ihn. Der Gerichtsmediziner schätzt Zains Alter auf zwölf Jahre. Obwohl der Junge noch jünger aussieht, verhält er sich wie ein Erwachsener. Er kümmert sich liebevoll um seine fast gleichaltrige Schwester Sahar, durchschaut die Pläne seiner Eltern und will die Elfjährige vor einer Zwangsheirat schützen.

Das Gegenstück erlebt Zain bei einer jungen Äthiopierin, die illegal im Libanon lebt: Sie umsorgt liebevoll ihr Baby und nimmt auch Zain bei sich auf, obwohl sie in einer armseligen Wellblechhütte lebt. Nachdem die Mutter eines Tages nicht mehr zurückkehrt, übernimmt Zain die Verantwortung für das Kleinkind, opfert sich auf, gibt sich als syrischer Flüchtling aus, nur um Milchpulver und Windeln zu bekommen. Als dann auch noch das Wasser im Tank ausgeht, empört sich der schmächtige Junge im Tonfall eines Erwachsenen: „Ernsthaft? Dieses Land macht mich krank.“

Regisseurin und Drehbuchautorin Nadine Labaki, der 2007 mit ihrer Komödie „Caramel“ der Durchbruch gelang, liefert hier einen bitteren Einblick in die Lebenswirklichkeit der Straßenkinder Beiruts. Daneben gibt es auch witzige und absurde Szenen, etwa wenn Zain im Bus den „Kakerlaken-Mann“ trifft, einen schwerhörigen, rauchenden Opa im rosa Superhelden-Kostüm. Der Libanon schickt Labakis Drama, das in Cannes den Preis der Jury holte, ins Rennen um den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film.

Armut, Krieg, Flucht, häusliche Gewalt und Kinderehe: Viele Themen kommen hier hochemotional zusammen.


Capernaum - Stadt der Hoffnung

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Erstellt:
15.01.2019, 21:40 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 19sec
zuletzt aktualisiert: 15.01.2019, 21:40 Uhr

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