Verzaubernd: Wie ein ausgemusterter Hafenarbeiter mit seinem Traum vom Restaurant seine ganze Umgebung elektrisiert.

Couscous mit Fisch

Verzaubernd: Wie ein ausgemusterter Hafenarbeiter mit seinem Traum vom Restaurant seine ganze Umgebung elektrisiert.

24.11.2015

Von che

Slimane ist einer dieser hageren Typen, die auf eine gewisse melancholische Weise ihr Leben lang gut aussehen. Irgendwie ist er das Herz der Großfamilie ? dabei hat er sich längst von seiner Frau getrennt und lebt in einem kargen Zimmer im Hotel seiner Geliebten Latifa.

35 Jahre lang hat der einst aus dem Maghreb eingewanderte Slimane im Hafen einer südfranzösischen Stadt geschuftet. Jetzt, wo seine Knochen müde geworden sind, will man ihn loswerden. Das ist einerseits bitter und andererseits ein Glück. Denn endlich kann der wortkarge Malocher angehen, wovon er schon immer geträumt hat. Mit seiner kleinen Abfindung möchte er einen abge­wrackten Kahn zum Hafen-Restaurant ummodeln. Geplante Spezialität: Cous­cous mit Fisch.

Allein ist so was natürlich nicht zu stemmen, aber wozu hat man Freunde und Familie? Seine geschiede Frau stellt sich als Köchin zur Verfügung, der Sohn packt bei der Renovierung an, die Tochter seiner Geliebten hilft bei den Behördengängen und die Kumpel von der Kneipe drängen sich als Musiker auf. Das klingt nach einem handelsüblichen Loblied auf die heimelige Nachbarschaft, aber der Film des Franzosen Abdellatif Kechiche („L?es­quive?) geht weit darüber hinaus.

So konterkariert der in Tunis geborene Regisseur den Traum seines Helden mit einem skeptischen Blick auf die Situation der arabischen Einwanderer, die der alten Heimat längst entfremdet sind und in der neuen selbst nach Jahrzehnten noch nicht als vollwertig akzeptiert sind. Das merkt man schon an der kühlen Herablassung, mit der die Vertreter von Banken und Ämtern Slimanes Anliegen abbügeln. Aber auch sehr individuelle Lebens­lagen, etwa Slimanes vertrackte Stellung zwischen zwei um Aufmerksamkeit buhlenden (Rumpf-)Familien, werden äußerst authentisch aufgetischt. Oft ist es simples Tischpalaver über Kindererziehung oder Kochkunst, aus denen Kechiche so präszise wie sinnliche Alltags-Miniaturen kompo­niert.

Die zweite Hälfte des 150 Minuten kurzen Films erzählt nahezu in Echtzeit vom großen Abend der Restaurant-Eröffnung ? und erzeugt dabei eine fiebrige Spannung, die es mit jedem Spitzenkrimi aufneh­men kann. Zwischen Festtags-Euphorie und unerbittlicher Dramatik treibt „Couscous mit Fisch? seinem Höhepunkt entgegen: einem denkwürdigen Bauchtanz, mit dem die 21-jährige, im Vorjahr in Venedig als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnete Hafsia Herzi schon jetzt einen Platz in der Filmgeschichte sicher hat.

Couscous mit Fisch