Das kalte Herz

Das kalte Herz

Düster-grimmige Verfilmung des Kunstmärchens von Wilhelm Hauff um einen raffgierigen Schwarzwald-Köhler.

20.09.2016

Von Dieter Oßwald

Das kalte Herz

Johannes Nabers Hauff-Verfilmung  punktet mit düsterer Atmosphäre und einem starken Ensemble.

Es war einmal ein junger Filmemacher, dem mit seinem zweiten Streich gleich der große Wurf gelang. „Zeit der Kannibalen“ hieß die famose Farce über Habgier in Zeiten des Haifisch-Kapitalismus, Johannes Naber war deren Regisseur.

Nun präsentiert der Jungfilmer gleichsam das Prequel mit einer starbesetzten Verfilmung des Kunstmärchens von Wilhelm Hauff. Der erzählte anno 1827 vom armen Köhler Peter Munk aus dem Schwarzwald, der die schöne Lisbeth beeindrucken möchte und sich deshalb vom Glasmännlein drei Wünsche erfüllen lässt. Dabei stellt er sich freilich derart trottelig an, dass sein Traum vom raschen Reichtum schnell zerplatzt.

Als letzte Hoffnung bleibt dem naiven Peter nur, einen teuflischen Pakt mit dem miesen Holländer-Michel einzugehen: Der verspricht ihm Wohlstand im Tausch für sein Herz. Der junge Köhler ist begeistert, erst zu spät erkennt er, dass er einen sehr hohen Preis für seine Gier bezahlt.

Mit visuellem Einfallsreichtum inszeniert Naber seine moralische Märchenstunde als atmosphärisch dichte, spannende Fantasy-Saga der bildgewaltigen Art. So düster war der Schwarzwald - gedreht wurde in Loßburg, am Schluchsee und im Elbsandsteingebirge - selten auf der Leinwand. Bei der Besetzung konnte der Regisseur sich offensichtlich beim Glasmännlein diverse Wünsche erfüllen lassen: Während jenes von Milan Peschel als schrulliges Fabelwesen gespielt wird, gibt Moritz Bleibtreu mit sichtlichem Vergnügen den hinterhältigen Händler der Herzen. Als tragischer Held tritt „Victoria“-Läufer Frederick Lau auf, der mit schwarz gefärbtem Gesicht souverän vom verzweifelten Köhler zum skrupellosen Raffke und wieder zurück mutiert. Als sein Rivale und reicher Schnösel ist Jung-Star David Schütter zu erleben.

Wie bereits in „Wir sind jung, wir sind stark“ erweist sich der 25-Jährige als leinwandpräsenter Mime mit eingebauter Lässigkeit. Dass er seine Werbekarriere als Levi’s-Model gleich wieder an den Nagel gehängt hat, spricht für ihn: Wer will schon aus Gier seine Seele verkaufen?

Mit seiner pompösen Inszenierung schuf Paul Verhoeven anno 1950 bei der DEFA einen Klassiker des Märchenfilms, der zu einem der erfolgreichsten Filme der DDR avancierte. Von dessen mehr als neun Millionen Zuschauern kann die aktuelle Verfilmung nur träumen. Immerhin gelang dem „Kannibalen“-Regisseur mit seiner einfallsreichen Adaption samt überzeugendem Ensemble ein märchenhafter Fantasy-Film made in Germany: Es wird einmal!

Wie Gier den Mensch in ein Monster verwandelt - das hat vor 190 Jahren fasziniert und tut es immer noch.

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Erstellt:
20.09.2016, 16:40 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 14sec
zuletzt aktualisiert: 20.09.2016, 16:40 Uhr

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