Die Geschichte der Rote Armee Fraktion: Eine schlussendlich bleierne Film-Aufbereitung der bleiernen Zeit.

Der Baader Meinhof Komplex

Die Geschichte der Rote Armee Fraktion: Eine schlussendlich bleierne Film-Aufbereitung der bleiernen Zeit.

23.11.2015

Von che

14.09.2015 Der Baader Meinhof Komplex
© null 01:17 min

Wie aus einer Stalinorgel prasselten zum „Jubiläum? des Deutschen Herbsts 2007 die Zeitungs-, Magazin- und Fernseh-Beiträge über die Rote Armee Fraktion, ihre Aktivisten und ihre Opfer, aufs gemeine Volk nieder. Jetzt geht, anlässlich des von Erfolgsproduzent Bernd Eichinger angerichteten Kino-Nachklapps, die ganze Chose wieder von vorne los. Dabei bringen weder der Film noch das begleitende Medien-Sperrfeuer irgendetwas auf den Tisch, was nicht schon Dutzende Mal durchgekaut wurde. Es ist schon grotesk, wenn die Reklame und in deren Gefolge sogar ehrbare Journalisten behaupten, der Film entzaubere Mythen. Welche Mythen? Traut sich irgendwer heutzutage noch ernsthaft zu behaupten, Baader, Enßlin & Co seien in Stammheim ermordet worden? Da muss man sich schon durch ganz weit linke Postillen wühlen.

Näher an die Wahrheit kommt Eichingers Interview-Auskunft: „Ich will eigentlich zunächst einmal gar nichts. Der Film wird schon irgendetwas mit den Leuten anstellen. Aber was das genau sein wird, kann ich wirklich nicht sagen.? Genau so ist es. „Der Baader Meinhof Komplex? hat kein Anliegen, keine Fragestellung, kein Konzept. Dabei fängt er recht viel versprechend an, mit einer dichten Collage über die Aufruhrjahre 67/68, die geschickt mit ikonisch gewordenen Bildern, etwa von den Protesten gegen den Schah-Besuch in Berlin, operiert. Inhaltlich bleibt immerhin haften, dass es auf Seiten der friedlich rebellierenden Studenten schon eineinhalb Tote gegeben hatte (Rudi Dutschke starb 1979 an den Spätfolgen eines Attentats), ehe zurückgeschossen wurde.

Doch spätestens mit der Gründung der Stadtguerilla fällt der Film in sich zusammen. Statt eine Geschichte zu erzählen, türmt Regisseur Uli Edel Fakten auf (oder was er dafür hält). Im Ruck-Zuck-Verfahren werden ungewichtet Dutzende Episoden von der Baader-Befreiung über den Stammheim-Prozess bis zur Schleyer-Entführung angerissen. Immer neue Figuren kommen ins Spiel, die selbst Kenner der Materie kaum noch zuordnen können und die filmisch nicht die geringste Funktion erfüllen.

Aus dem Führungszirkel der RAF entsteht am ehesten noch von Ulrike Meinhof (Martina Gedeck) ein plastisches Bild. Ihre Hinwendung zum bewaffneten Widerstand (oder eher: zu einer aktionistischen Gruppe) erklärt der Film als mehr persönlich als politisch motivierten Akt der Emanzipation von der Scheinheiligkeit einer großbürgerlichen Linksschickeria. Das klingt plausibel, auch wenn es deswegen noch lange nicht wahr ist. Moritz Bleibtreus Andreas Baader ist dagegen eine wüst hingeschmierte Karikatur, während andere wie der vom Ex-Tübinger Stipe Erceg gespielte Holger Meins quasi charakterlos verheizt werden.

So schleppt sich die illustrierte Terror-Chronik ohne jedes stilistische Korsett mühselig ihrem bekannten Ende entgegen, und in Hollywood lacht man sich vermutlich scheps, dass ausgerechnet dieser Anti-Film von Deutschland als Oscar-Kandidat eingereicht wurde. Einzige Neuheit: Die berüchtigte RAF-Plaudertasche Peter-Jürgen Boock hat mal wieder ins Nähkästchen blicken lassen, und darf deswegen im Film zu Gudrun Enßlin in die Badewanne und mit Brigitte Mohnhaupt ins Lotterbett steigen. Letzte Frage: Spielt Corinna Harfouch wirklich nicht mit, oder haben wir sie im Getümmel der Eichinger-Spezeln bloß übersehen?

Der Baader Meinhof Komplex

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Erstellt:
23.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 31sec
zuletzt aktualisiert: 23.11.2015, 12:00 Uhr

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Riddam 02.10.200812:00 Uhr

einziger differenziert dargestellter Charakter bleibt hier, leider, Meinhof. Baader und Enzlin erinnern doch zu sehr an "Bonnie & Clyde". Sehr oberflächlich wird's dann bei Einführung der 2. Generation. Schade eigentlich, etwas weniger Schnitte, dafür mehr politischer Hintergrund wäre, speziell für Neulinge, schön gewesen. Dennoch sehenswert und daher eine 2.

tommy lee 01.10.200812:00 Uhr

Spannend, richtig und realtiätsnahe verfilmung. ich habe diese zeiten bewusst und interessiert miterlebt und werde mir den film ein zweites mal ansehen müssen, um wirklich über ihn urteilen zu können. ich war bei dem film zu sehr an meine erinnerungen geklammert, als das ich ihn komplett verfolgen hätte können

Gudrun 30.09.200812:00 Uhr

Im Film werden die RAF Terroristen zu positiv dargestellt. Andreas kommt als cooler Typ rüber, der er nicht gewesen ist. Der war vielmehr ein Choleriker mit Schaum vor dem Mund. Und seine Anhänger sind Leute, die früher mit roten Haaren rumgelaufen sind und heute in der Bank arbeiten. Vielleicht hätte der Film eher auf solche Feinheiten Wert legen sollen und nicht den Kinobesucher mit dem Gefühl zurücklassen, dass das, was die RAF geamcht hat, eigentlich richtig war, aber halt ein bichen übertrieben.

Guido 29.09.200812:00 Uhr

Der Film war evtl interessant, gut war er aber nicht.
Von der schauspielerischen Qualität und der Regie her vergleichbar mit den SAT1 Filmen wie "Das Wunder von Lengende" oder "Der Tunnel".
Ich frage mich: Wer hatte das in aller Ernsthaftigkeit anders erwartet?Eine filmische Depression

Guido Baumann 29.09.200812:00 Uhr

Der Film war sehr gut und realistisch.Die Schauspieler pasten fast auf jeden RAF Mitglied.Bin in dem Jahrgang auf gewachsen.Gruß Guido!

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