Der Landarzt von Chaussy

Der Landarzt von Chaussy

In dem französischen Drama macht ein an Krebs erkrankter Landarzt seiner jungen Stellvertreterin das Leben schwer.

22.10.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Kaum ein junger Mediziner möchte heutzutage noch Landarzt werden. Rund um die Uhr verfügbar sein, im Regen durch Matsch zu den Patienten stiefeln, den Leuten geduldig zuhören, statt sie mit Arznei und Apparaten zu traktieren – das können oder wollen die wenigsten. Für Doktor Jean-Pierre Werner (François Cluzet), der allein auf weiter Flur in einem französischen Provinzkaff praktiziert, ist Landarzt dagegen der schönste Beruf der Welt.

Umso härter trifft es ihn, als bei ihm selbst eine schwere Krankheit diagnostiziert wird. Er müsse unbedingt kürzertreten, sagt sein Kollege aus der Stadt, und damit der Rat auch befolgt wird, schickt er ihm ungefragt eine frisch ausgebildete Ärztin (Marianne Denicourt), die in der Praxis und bei Hausbesuchen helfen soll, hinterher.

Doch statt sich über die Entlastung zu freuen, verteidigt Jean-Pierre eifersüchtig sein Revier und lässt keine Gelegenheit verstreichen, der unerfahrenen Nathalie ihre Grenzen aufzuzeigen. Auch von den meisten Kranken wird sie anfangs argwöhnisch beäugt. Die Neue lässt sich jedoch nicht unterkriegen und erwirbt mit Sachverstand und schneller Auffassungsgabe allmählich den Respekt des Eigenbrötlers und das Vertrauen der Patienten. Jean-Pierre wiederum muss lernen, dass ihn auch 30 Jahre Erfahrung nicht unersetzlich machen.

Die Geschichte hätte das Zeug zu einer Landlust-Schmonzette, wie sie Frankreich gerade am Fließband produziert werden. Doch dafür verankert sie Regisseur Thomas Lilti, der selbst einmal als Arzt praktiziert hat, zu fest in der Realität. Mit beinahe dokumentarischer Genauigkeit seziert er den Alltag eines Landarzts und zeigt, worauf es in diesem Metier ankommt: allem voran aufs Einfühlen in die Patienten. Damit einher gehen Spitzen gegen ein Gesundheitssystem, das den ländlichen Raum sich selbst überlässt, und dem ein Arzt, der die Kranken an Geräte stöpselt, allemal lieber ist als einer, der sich um sie kümmert.

Liebevolle und lebensnahe Hommage an einen vom Aussterben bedrohten Beruf.