Der Trafikant

Der Trafikant

Ein junger Kiosk-Verkäufer erwartet mehr vom Leben. Wie praktisch, dass Sigmund Freud bei ihm Stammkunde ist.

06.11.2018

Von Thomas Volkmann

Der Trafikant
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Als Lehrbub in einem Wiener Tabak- und Zeitschriftengeschäft darf der 17-jährige Franz den greisen Sigmund Freud zu seinen Kunden zählen – und erhält von ihm gratis Tipps in Sachen Liebe. Dass sich in der nostalgischen Verfilmung von Robert Seethalers Romanvorlage durch Nikolaus Leytner das politische Klima im Jahr 1937 ändert, nimmt er zunächst gar nicht wahr.

Es sind schwierige Zeiten, wie Franz (Simon Morzé) bei seiner Ankunft in der österreichischen Hauptstadt feststellt. Dort, wo er aufgewachsen ist, am Attersee im Salzkammergut, ist es lange nicht so laut und riechen tut es auch besser. „Das ist nicht der Kanal, das sind die Zeiten“, ruft ihm ein Glückslose verkaufendes Mütterchen zu. In Wien entdeckt Franz eine für ihn neue Welt. Und auch die Liebe. Dass die quirlige Böhmin Anezka (Emma Drogunova) als Stripperin arbeitet, macht die Sache nicht leichter. Man mag es seiner Unerfahrenheit zuschreiben: Franz erkennt auch hier zu spät, was sich um ihn herum zusammenbraut.

Tatsächlich will der Film das, was da an Bedrohung und Schrecken naht, zunächst selber nicht sehen. Im Vordergrund steht der Junge und was er von seinen beiden Lehrmeistern – dem kriegsversehrten Trafikanten Otto Trsnjek (Johannes Krisch) und dem täglich zum Zigarren- und Zeitungskauf aufkreuzenden Psychoanalytiker Freud (Bruno Ganz) – an schlauen Ratschlägen fürs Leben mitbekommt. Mehr als gutmeinende Sprüche („ein guter Trafikant verkauft Genuss und Lust – und manchmal auch Laster“) und sachverständige Phrasen („die Liebe ist schön, tut manchmal aber verflixt weh“), eingepasst in eine theaterkulissenhafte und pittoreske Umgebung, sind es allerdings nicht. Selbst die Holzkrücken des Kioskbesitzers wirken da nur wie billige Requisiten.

Leytner tut sich schwer, die Erzählebenen seiner Teenager-in-Kriegszeiten-Geschichte zusammenzuführen, lieber spielt er mit Bildern von Tagträumen. Szenen wie das „fröhliche Negerschießen“ auf dem Jahrmarkt mit Anezka oder ein als Hitler verkleideter Schauspieler, der Österreich „verspeist“ illustrieren gleichwohl, wie sich die politische Situation zuspitzt. Ganz unberührt lassen die Ereignisse Franz dann doch nicht. Als es darauf ankommt, wird er Zivilcourage zeigen.

Theaterkulissenhaft bebilderte Geschichte eines Erwachsenwerdens in dunklen Zeiten.

Der Trafikant

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Erstellt:
06.11.2018, 18:33 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 04sec
zuletzt aktualisiert: 06.11.2018, 18:33 Uhr

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