Ema - Sie spielt mit dem Feuer

Ema - Sie spielt mit dem Feuer

Energiegeladenes chilenisches Drama um eine Frau, die alle Koordinaten sprengt, um ihr Leben selbst in der Hand zu halten.

21.10.2020

Von Madeleine Wegner

Ema - Sie spielt mit dem Feuer

Die Körper zucken vor einem blutroten Vollmond. Sie scheinen durch eine unsichtbare Kraft miteinander verbunden, die perfekt koordinierten Bewegungen wirken wie die eines Schwarms. Die jungen Tänzer verstehen sich blind. Sie folgen dem pulsierend-pumpenden Rhythmus der Straße, der Musik des Reggaeton.

Ema und Gastón sind das Herz dieser Tanzkompanie. Doch das Paar droht an einem reuevollen Verlust zu zerbrechen: Sie haben Polo erneut zur Adoption freigegeben. Erst nach und nach erschließt sich in Umrissen, warum sie das achtjährige Kind dem Staat zurückgegeben haben. Ema und Gastón leiden unter dem Verlust. Sie machen sich gegenseitig schwere Vorwürfe. Darüber hinaus verliert Ema ihren Job als Tanzlehrerin an einer Schule. Auch die Kolleginnen werfen ihr Herzlosigkeit und Verantwortungslosigkeit vor. Als Lehrerin sei die Frau nicht mehr haltbar.

Ema brennt für ihr Kind. Ihrem Schmerz und ihrer Reue macht sie fortan mit Hilfe eines brachialen Flammenwerfers Luft. Und sie schmiedet einen Plan, bei dem sie die volle Unterstützung ihrer Freundinnen aus der Tanzkompanie erhält. Diese anderen jungen Frauen gehören fest zu dem eigenen Bild von Familie, das Ema entwirft und leidenschaftlich auslebt. Es ist zugleich eine völlig neue Interpretation von Familie, die das alte Verständnis von Vater-Mutter-Kind nicht komplett über den Haufen wirft, sondern um ein Vielfaches erweitert.

Der chilenische Regisseur Pablo Larraín war bislang eher für das Sezieren der Vergangenheit bekannt („Neruda“, „Jackie: Die First Lady“ oder auch „El Club“, für den er den Silbernen Bären erhielt). Mit „Ema“ – in der deutschen Version um den unnötigen Zusatz „Sie spielt mit dem Feuer“ ergänzt – erzählt er erstmals eine Geschichte in der intensiv erlebten Gegenwart Chiles, vor der urbanen Kulisse der Stadt Valparaíso.

Für die chilenische Schauspielerin Mariana Di Girolamo ist Ema die erste Kino-Hauptrolle. Und diese füllt sie perfekt aus, mehr noch: Manchmal scheint sie sie sogar zu sprengen. Damit stellt sie den mexikanischen Schauspielstar Gael García Bernal (in der Rolle von Emas älterem Mann Gastón) geradezu in den Schatten. García Bernal hat unter anderem in mehren Filmen Pedro Almodóvars mitgespielt. Larraíns explosives Tanz-Drama wurde gelegentlich mit den Filmen des spanischen Regisseurs verglichen. Angesichts von Almodóvars wilden Geschichten, mit denen er sich zugleich zum Chronisten der Gesellschaft machte, ist das nachvollziehbar. „Ema“ ist mehr als das.

Geprägt von präsenter Körperlichkeit und sinnlicher Erotik gibt es nur wenig andere Filme, die ein solch schillerndes Kaleidoskop gelebter Sexualitäten zeigen. Dabei sind Emas Begegnungen jenseits jeglicher Flüchtigkeit, dafür durchtränkt von der Intensität des Augenblicks, von Aufmerksamkeit und Hingabe.

Mehr als das explosive Porträt einer Generation. Komplexe Geschichte voller Intensität, Körperlichkeit und Erotik.

Ema - Sie spielt mit dem Feuer

Zum Artikel

Erstellt:
21.10.2020, 11:31 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 22sec
zuletzt aktualisiert: 21.10.2020, 11:31 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.