Er ist wieder da

Er ist wieder da

In der Politsatire startet Adolf Hitler 70 Jahre nach seinem unrühmlichen Abgang eine zweite Karriere im Fernsehen und Internet.

04.11.2015

Von Magdi Aboul-Kheir

Alle Jahre wieder sucht der deutsche Film sein Heil in einer Hitler-Komödie. Nun kommt „Er ist wieder da“ nach Timur Vermes‘ Bestseller in die Kinos: bitterböse, konsequent und phasenweise gar brillant.

„Würden Sie alles tun, was ich sage?“, fragt Hitler Karl Richter. „Kamera aus!“, knurrt der einschlägig bekannte Rechtsextremist Richter. Die Kamera schwenkt auf den Boden, der Ton läuft weiter. Dann sagt Richter: „Wenn Sie der Echte wären, wahrscheinlich schon.“

Es ist der reale stellvertretende NPD-Vorsitzende Karl Richter, der da in „Er ist wieder da“ auf den Kino-Hitler trifft. Mehrfach verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Pseudo-Dokumentation. Und rauben dem Betrachter immer wieder die Illusion, einen letztlich harmlosen Film zu sehen.

Zehntausende bei Pegida-Aufmärschen, Flüchtlingsdebatten voller widerlicher Fremdenfeindlichkeit, brennende Asylbewerberheime: Ist das der passende Zeitpunkt für eine Komödie, in der gezeigt wird, wie Hitler heute zum Medienstar wird? Ja, es ist sogar der absolut richtige Zeitpunkt – wenn man es so konsequent macht wie David Wnendt in seiner Adaption von Timur Vermes‘ Bestseller.

Wir schreiben also das Berlin des Jahres 2014. Dampfend wie ein Ungeist erwacht Hitler in einem Hinterhof – und sieht nicht wie 125 aus. „Bin ich in ein Koma gefallen und habe den Endsieg verpasst?“, fragt er sich angesichts des prosperierenden, wenn auch dekadenten Lands.

Die Politiker verachtet er, angefangen mit der Kanzlerin: „Eine klobige Frau mit der Ausstrahlung einer Trauerweide.“ Nur die Grünen sind ganz okay, die sorgen sich um die deutsche Natur. Die heutigen Rechtsradikalen aber für ihn auch eine Schande. Die Kameraden der NPD? „Gute Nacht.“

Sein Wiedererwachen hält Hitler für Vorsehung. Er begegnet dem erfolglosen Filmemacher Sawatzki (Fabian Busch), der eine Chance wittert: Er denkt, Hitler sei ein radikaler, politisch unkorrekter Comedian, der nie aus seiner Rolle fällt. Das glauben auch der TV-Produzent Sensenbrinck (Christoph Maria Herbst) und die Senderchefin Bellini (Katja Riemann), die eh nur an die eigene Karriere denken.

Hitler findet das Fernsehprogramm zwar idiotisch („Gut, dass Goebbels das nicht mehr erleben muss“), aber er nutzt es für seine Propaganda. Er tritt in einer Comedy-Show auf, bleibt jedoch ganz er selbst und verspricht: „Ab 20.45 Uhr wird zurückgesendet!“

Hitler wird zum Quotenhit und zum Youtube-Star, er entdeckt das „Internetz“, wo er gleich mal „Weltherrschaft“ googelt, er tritt auf bei „Circus Halligalli“ und „taff“, talkt mit Tadeusz und Plasberg – jawoll, so kann es weiter gehen.

Das alles ist bitterböse und schmerzhaft konsequent. „Sind wir uns einig, dass das Thema Juden nicht witzig ist?“, fragt die Senderchefin Hitler. Der funkelt sie an: Nein, das Thema Juden findet Hitler gewiss nicht lustig.

Wnendt & Co. folgen der satirischen Grundidee des Bestsellers: Man lacht nicht über Hitler (er ist kein netter Opa, sondern ein misanthroper, antisemitischer Ideologe; aber ist ein Mensch, kein Teufel), sondern anhand von Hitler. Es ist eine Satire über Medien und Politik – und eine über die Hitler-Versessenheit auch noch 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Er ist wieder da? Er war nie weg!

Aber der Film geht in galliger Klarheit über die Vorlage hinaus, findet weitere Handlungswege. Vor allem war das Drehteam mit diesem Hitler in Deutschland unterwegs, ließ ihn auf besorgte Bürger und Benimm-Coachs, Fußballfans und AfD-Funktionäre treffen. Siehe da: Wenn der Mann mit der Hitler-Maske auftaucht, fallen bei anderen die Masken, der hässliche Deutsche kommt zum Vorschein – unheimlich und unheilvoll ist das. Eine gekonnte Irritation: Wo hört der Spielfilm auf und fängt die Dokumentation an? Wer ist Schauspieler, wer Passant? Was ist echt, was gefaket?

Dabei erweist sich die Besetzung Hitlers mit Oliver Masucci als hilfreich: Der Burgschauspieler ist ein Profi, aber kein Promi, er hat kein abgenutztes Fernseh- und Filmgesicht, was nur ablenken würde.

Die Irritation des Zuschauers reflektiert „Er ist wieder weg“ gleich mit, macht sie auch zum Thema. Wenn Hitler seine Auftritte in der Comedy-Show „Krass, Alter“ hat, findet ihn das Publikum teils schockierend, teils komisch, teils cool – und manche finden, er habe ja auch recht, mit dem, was er da sagt. Nur als Hitler einen Hund tötet, bekommt er Probleme: Das verzeiht die deutsche Seele nicht, heißt es.

Der Film hat tatsächlich beklemmende Szenen: Wenn Comedy-Autoren dazu ermutigt werden, für Hitler rassistische Witze zu schreiben und dabei „über ihre innere rote Linie zu gehen“. Oder wenn Hitler auf die jüdische Großmutter von Sawatzkis Freundin trifft.

Der Film ist eine Gratwanderung mit dem Wiederundwidergänger der Geschichte, aber er stürzt nicht ab. Er lässt nur kurz nach, wenn er den Fokus auf Hitler mal verliert oder in Slapstick verfällt. Aber meist trifft Wnendt ins Braunschwarze. Zuletzt hatte er Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ auf die Leinwand gebracht – nun also Hitler statt Hämorrhoiden.

Am Ende sieht Hitler: „Die Lage ist hervorragend für mich.“ Die letzten Bilder des Films (womöglich kurz vor knapp zum Kinostart montiert) sind hochaktuell: Pegida, Gewaltexzesse. Das macht mit dem Zeigefinger noch einmal klar, wie bitter ernst das Thema im Kern ist.

Ja, man kann in „Er ist wieder da“ oft lachen. Aber es ist nicht lustig.