Brillante und bitterböse Familiensaga im Short-Cuts-Stil

Happiness

Brillante und bitterböse Familiensaga im Short-Cuts-Stil

24.11.2015

Von Joachim Hentschel

Happiness

Thomas Jefferson ist schuld. Den berühmten Satz in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung hat nämlich er verzapft: Alle sollen die Möglichkeit haben, nach ihrem persönlichen Glück zu streben. Tausende sitzen zur Stunde in wohlgestalteten Doppelhaushälften oder an sicheren Arbeitsplätzen und fühlen sich verschaukelt.

Denn das Streben nach Glück ist doch nur eine elende Rennerei, ein gigantisches Arschkriechen, ein ewiges Warten aufs Christkind. Und je konkreter die unerfüllten Wünsche sind, um so freudloser lebt es sich: Joy will einen Mann. Davon hat ihre Schwester Helen genug, die möchte lieber einen Fiesling, um ein gutes Buch darüber zu schreiben. Psychiater Bill liebt kleine Jungs. Allen will Sex, aber nur mit der unerreichbaren Helen und nicht mit Christina, die wiederum ihn will.

Glück funktioniert im Film von Todd Solondz also schon deshalb nicht, weil es im engen menschlichen Lebensraum so viele Interessenkonflikte auslöst. Erst recht in einer Familie wie den Jordans, wo die einen aus dem Pech der anderen ihr Selbstbewußtsein schnitzen: Weil sie eben schon immer wußten, daß aus denen nichts wird.

Seine Schmerzensmenschen führt Solondz in geduldiger Parade vor ? alle auch irgendwie süß, Figuren eines melodramatischen Comicstrips, „Short Cuts? minus Moral. Darf der Regisseur das, ohne den Zuschauer zum Voyeur zu machen? Ja, weil das Unglücklichsein unter den frustrierten Vorstädtern sowieso längst zum Ritual geworden ist. Die Einsamen klopfen weiter ihr Tiefkühlfleisch, wenn das Blind Date am Telefon ist, und jeder weiß schon vorher genau, was er dem klagenden Kopf an seiner Schulter antworten muß.

Dagegen kommt nur Billy, der Sohn des Kinderschänders an. Nachdem er entsetzt die Beichte seines Vaters gehört hat, stellt der Kleine die beste Frage im ganzen Film: „Daddy, warum hast du das getan?? Dafür wird er am Ende belohnt. Voll Glück sieht er sein erstes Sperma an die Balkonbrüstung spritzen, er rennt rein und sagt es der Familie: „Ich bin gekommen!? Die Natur hat sich Bahn gebrochen. Ein Höhepunkt zum Höhepunkt

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 02sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Andreas Vogel 03.09.200312:00 Uhr

Gute Schauspielleistungen und eigentlich eine gute Inszenierung - aber was sehr sehr sauer aufstösst, ist die Verachtung, die Solondz allen Figuren entgegenbringt. Da fehlt selbst das kleinste Fitzelchen Empathie, statt dessen bloss zynischer Hass.