Visuell und menschlich starkes, politisch eher unscharfes Amerika-Bild von Wim Wenders.

Land of plenty

Visuell und menschlich starkes, politisch eher unscharfes Amerika-Bild von Wim Wenders.

24.11.2015

Von che

Land of plenty

Ein so optimistisches Amerika-Bild wie in "Terminal" darf man von Wim Wenders nicht erwarten. Andererseits ist die vom Festival in Venedig herübergewehte Behauptung, dieser Film sei eine Abrechnung mit Amerika barer Unsinn. Von so viel Liebe zu seinen (amerikanischen) Figuren, von der amerikanischen Kultur ganz zu schweigen, ist kaum ein anderer Regisseur beseelt. Daneben unterstellt der der Weltmacht zwar eine schwere Krankheit, beschwört aber mit fast noch größerem Engagement ihre Selbstheilungskraft.

Es beginnt als Familiengeschichte: Die junge Lana kommt nach Jahren im Entwicklungsdienst zurück nach Los Angeles und sucht Kontakt zu ihrem einzigen Verwandten. Dieser Paul ist ein körperlich schwer derangierter Vietnam-Veteran, der seine wahnhafte Angst vor Terrorangriffen als technisch hochgerüsteter Heimatschützer zu bannen sucht. Etwas überdeutlich repräsentieren diese beiden Figuren die Zerrissenheit Amerikas, überspitzt formuliert: den verstockten Bush-Vaterländler und die weltoffene Kerry-Idealistin.

Ein echter Konflikt will sich aus diesen konträren Weltbildern aber partout nicht ergeben. Vielmehr lässt sich Michelle erst einmal in den Strudel von Pauls Paranoia reißen, hinter der sich womöglich doch ein reales Komplott abzeichnet. Die Ermittlungen führen durch Obdachlosen-Heime in die Mojave-Wüste, wo der Krimi allmählich im Sand versickert, und der Film vollends seine wahre Bestimmung offenbart: Eine allegorische Reise durch Amerika, in deren Verlauf beider starre Überzeugungen ? Pauls politischer, Lanas moralischer Rigorismus ? verblassen.

Das ist zwar etwas simpel konstruiert, wird von den noch kaum Kino-bekannten Darstellern aber mit viel Leben und emotionalem Reichtum gefüllt. Stellt man noch die kraftvollen Bilder von den finstern Armenvierteln oder der hitzestarren Wüste in Rechnung, ist dies der beste Wenders-Film ? vielleicht seit „Paris Texas?.