Coming in Age: Die 15-jährige Elise entdeckt, dass in der Mittelstandsidylle ihrer Eltern irgendetwas nicht stimmt.

Maman est chez le coiffeur

Coming in Age: Die 15-jährige Elise entdeckt, dass in der Mittelstandsidylle ihrer Eltern irgendetwas nicht stimmt.

23.11.2015

Von Achim Stricker

Maman est chez le coiffeur

Auf den ersten Blick scheint die 15-jährige Elise in einer heilen Welt zu leben. Doch dann verlässt ihre Mutter von einem Tag auf den anderen die Familie. Die wahren Zusammenhänge kann Elise nur erahnen: Ihr Vater hat ein Verhältnis mit einem Kollegen. Aber im Kanada der 60er Jahre kann man darüber nicht sprechen. Vor den Nachbarn wird alles vertuscht: „Mama ist beim Friseur?.

Mit Liebe zum Detail lässt Regisseurin Léa Pool die 60er wiederaufleben: Mode, Frisuren, Tapeten und alte Buicks, aber auch Angeln im Fluss, Seifenkistenrennen und Kussmarathon in der Scheune. Das macht den Film sehenswert. Und wo Pool sich auf die Welt der Heranwachsenden beschränkt, fallen ihre starke Bilder ein. Grandios ist überhaupt die Leistung aller drei Kinderdarsteller: Marianne Fortier (Elise) sowie der 12-jährige Gesangsstar Elie Dupuis und Hugo St-Onge-Paquin als ihre jüngeren Brüder.

Die Erwachsenen sind dagegen schablonenhaft, stereotyp. Unglaubwürdig ist die abrupte Verwandlung der liebenden Mutter in eine harte Karrierefrau, die ihre Kinder im Stich lässt. Den Vater hätte man als zerrissene Figur zeigen können, doch er bleibt eindimensional, fast unbeteiligt. Pool interessiert sich auch nicht für die Motive der Erwachsenen, ihr geht es um die Auswirkungen auf die Kinderseelen: von Verweigerung bis Autoaggression. So verharrt der Film zwischen Wehmut und stummer Anklage.