Afrikanisches Dorf-Drama von Shakespear‘scher Wucht und Kurosawa‘scher Bildgewalt.

Moolaadé - Bann der Hoffnung

Afrikanisches Dorf-Drama von Shakespear‘scher Wucht und Kurosawa‘scher Bildgewalt.

24.11.2015

Von che

Moolaadé - Bann der Hoffnung

Gegenwind für alte Männer. Kleiner Streifzug durch das afrikanische Kino bei den Französischen Filmtagen

Genug von postmodern verzerrten Beziehungsdramen und zahllosen Trauerarbeits-Strategiefilmen bei den Französischen Filmtagen? Dann lohnt zur Abwechslung die Flucht nach Afrika, wo das Kino noch die Hand am Puls des sozialen Lebens hat, zuweilen handfest politisch wird und sich auch künstlerisch nicht mehr hinter Europas breiten Rücken zu verstecken braucht. Auch das Publikum hat das schon gemerkt: Bei "Ouaga saga", der fulminanten Buben-Komödie mit magischem Schimmer, war am Samstag im großen Museum-Kino Full House.

Der virtuellen Preis für das frischeste Alterswerk dürfte Ousmane Sembène schon jetzt nicht mehr zu nehmen sein. Der 82-Jährige hat mit "Moolaadé" ein Drama von Shakespear?scher Wucht und Kurosawa?scher Bildgewalt hingelegt. Schauplatz ist ein Dorf in der Sahel-Zone, wo eine resolute Frau vier Mädchen, die vor dem grausamen Ritual der Genitalverstümmelung geflohen sind, in ihrem Haus Asyl gewährt. Der ungewöhnliche und mutige Akt in einer durch und durch patriarchalen Welt eskaliert zu einem zunehmend blutigen Machtkampf, an dessen Zenit die Radios im Dorf öffentlich verbrannt werden. „Moolaadé? steht wie schon Sembènes voriger Film „Faat Kine? für einen Paradigmenwechsel im afrikanischen Kino: weg vom Afrozentrismus, in dem die „Tradition? oft unkritisch als Mittel kultureller Selbstbehauptung durchging. In „Moolaadé? ist sie nicht viel mehr als ein ideologisches Deckmäntelchen für die knallharte Unterrückung der Frauen.

Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgt auch der Film Delwende. Hier gerät die halbwegs heile Welt eines westafrikanischen Dorfes durch eine Reihe toter Kinder aus den Fugen. Statt das Radio einzuschalten, wo von einer Menengitis-Epidemie die Rede ist, beschuldigen die alten Patriarchen in einem bizarren Ritual eine Frau als Hexe und jagen sie in die Steppe hinaus ? wodurch sich nebenbei auch eine Vergewaltigung elegant entsorgen lässt. „Wie soll man mit solchen Leuten ein Land entwickeln?, heißt es beiläufig in diesem starken Kinostück von Festival-Gast S. Pierre Yaméogo, der seinen universellen Ansatz durch die kecke Verschmelzung von afrikanischen und europäischen Bild-, Musik- und Erzähltraditionen unterstreicht.

Dass das Radio nicht immer ? wie von Sembène und Yaméogo propagiert ? der Aufklärung dient, sondern auch Hass und Gewalt Vorschub leisten kann, bewies der Sender RTML, der während des Völkermords 1994 in Ruanda die Hutu-Milizen zum Massenmord an „Tutsi-Kakerlaken? aufstachelte. Der Hetzfunk spielt eine Hauptrolle in dem wuchtigen Polit-Drama Sometimes in April von Raoul Peck („Lumumba?), das heute um 17 Uhr in einer Benefiz-Veranstaltung für die Opfer des Genozids im Kino Museum gezeigt wird. Aber auch den Westen lässt Peck nicht ungeschoren. „Tutu or Hutsi ? who are the good guys?, heißt es aus dem Mund eines Journalisten, der das Desinteresse der Weltöffentlichkeit am Abschlachten von 800000 Menschen auf einen Satz bringt.


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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Beobachterin 02.05.200612:00 Uhr

Ein sehr angenehmer Film - langsam, aber keine Sekunde langweilig; ruhig, aber trotzdem spannend. Ein Aufklärungs-Theaterstück, mit den Mittel des Films in Szene gesetzt. Eindrucksvoll. Am Schluß blieben alle ZuschauerInnen sitzen, bis der Abspann zu Ende war. Keine Unruhe, niemand sprach (Vorführung vom 1.Mai).

Riddam 01.05.200612:00 Uhr


im wahren Leben wird's wohl leider nicht so optimal ausgehen, dennoch ein guter Ansatz zu diesem unerfreulichen Thema.