Das Treffen zweier Exilbulgaren, die sich nur aus dem Internet kannten, endet fatal.

Nos vies privées

Das Treffen zweier Exilbulgaren, die sich nur aus dem Internet kannten, endet fatal.

24.11.2015

Von Dorothee Hermann

Nos vies privées

Eigentlich wollte der kanadische Filmemacher Denis Côté in „Unser Privatleben? nur testen, ob man im Kino derzeit noch eine Liebesgeschichte erzählen kann. Herausgekommen ist ein subtiler Horrorfilm.

„Nos vies privées? ist eine Art „Blair Witch Project? auf dem Feld des Erotischen. Technisch unendlich raffinierter als das geistesverwandte „Project?, kostete die Produktion dennoch nur 12 000 Euro. Der Film versetzt eine Frau und einen Mann, die sich bisher nur über das Internet kannten, in die Einsamkeit der kanadischen Wälder.
Diesen Schauplatz wählte Coté, „weil es langweilig ist, Webcams und Chatrooms zu filmen?. Das Netz mag zwar der angesagte Ort für Sehnsüchte sein, „aber keiner mag zugeben, dass er in Chatrooms mitmacht.? Diese virtuellen Beziehungen könnten eine gefährlich trügerische Intimität erzeugen. „Sobald jemand intellektuell oder emotional stärker ist, kann er den anderen manipulieren.?

Milena und Philip treffen sich in einem abgelegenen Ferienhaus, und nicht nur die gemeinsame Sprache ? Bulgarisch ? scheint sie sofort zu verbinden. Doch im Realitätstest wird ihre Intimität schnell brüchig. Nicht erst, als jeder von ihnen eine extreme Erfahrung macht, von der er dem anderem auf keinen Fall etwas sagen kann.

Im wirklichen Leben sind Milena und Philip ein Schauspielerpaar von einem experimentellen Theater in Sofia, sagt Côté. Doch die ungewöhnliche Sprache soll zudem einen dramaturgischen Effekt haben: Dass Philip sich außer mit Milena mit niemanden verständigen kann, „versetzt ihn in eine Umgebung, die sich seiner Kontrolle völlig entzieht?. Zudem wollte der 34-Jährige ohnehin einen Film abliefern, der nicht hauptsächlich auf Dialogen basiert.

Deshalb mag er die zweite Hälfte viel lieber, die auf „Atmosphärisches? und vielsagende „silences? setzt. Der erste Teil erzähle ja noch beinahe im TV-Stil, so Côté. Es dauert nicht lange, bevor sich die Abgeschiedenheit des Paars, für sich in der Natur wie die ersten Menschen, als so trügerisch erweist wie das biblische Paradies. Dass sich einmal auch noch eine große Schlange durchs Bild windet, kann man schon beinahe als überdeterminiert oder manieriert empfinden. Weil er die Schrecken kaum zeigt, die seine Protagonisten quälen, versetzt Côté die Imagination des Zuschauers um so heftiger in Alarmbereitschaft. Vor zwei Jahren war er schon einmal Festivalgast mit seinen „Les états nordiques?.