Nur eine Frau

Nur eine Frau

Eine junge Frau wird auf offener Straße in Berlin von ihrem Bruder erschossen. Sie erzählt selbst, wie es zu dem „Ehrenmord“ kam.

07.05.2019

Von Madeleine Wegner

Nur eine Frau

Im Jahr 2005 wurde Hatun Aynur Sürücü von einem ihrer Brüder in Berlin mit drei Kopfschüssen getötet. Diese in den Medien bald als „Ehrenmord“ titulierte Tat und deren Vorgeschichte zeichnet der Film „Nur eine Frau“ von Regisseurin Sherry Hormann nach. Trotz einiger weniger Filmschnipsel, in denen die echte Aynur zu sehen ist, handelt es sich nicht um einen Dokumentarfilm. Vielmehr wird die Geschichte aus der Perspektive des Opfers (großartig gespielt von Almila Bagriacik) erzählt, das immer wieder mit lakonischen Kommentaren aus dem Off zu hören ist. Bereits in der ersten Szene beschreibt sie, wie sie als Mordopfer an der Bushaltestelle liegt.

Ansonsten folgt der Film weitgehend chronologisch dem Leben von Aynur. Als fünftes von neun Kindern kommt sie in Kreuzberg zur Welt. Mit 16 Jahren wird sie mit ihrem Cousin in Istanbul verheiratet, gegen ihren Willen. Als sie hochschwanger ist, flüchtet sie vor ihm und kehrt zu ihrer Familie nach Berlin zurück. Nachdem ihre Eltern vergeblich versuchen, sie zur Rückkehr zu ihrem Ehemann zu bewegen, zieht Aynur nach kurzer Zeit und vielen Streitereien in ein Wohnheim für junge Mütter und später in eine eigene Wohnung.

Sie beginnt eine Ausbildung zur Elektroinstallateurin und scheint auf dem Sprung in ein selbstständiges Leben. Doch gleichzeitig versucht sie, weiterhin Kontakt zu ihrer Familie zu halten – gegen den Rat des einzigen ihrer Brüder, von dem sie Unterstützung erfährt. Und obwohl darüber auch ihre Beziehung zu einem deutschen Freund zerbricht, der die ständigen Auseinandersetzungen und Anrufe der anderen Brüder irgendwann nicht mehr aushalten kann.

Der von der TV-Journalistin Sandra Maischberger produzierte Film vermag es, die in jeder Hinsicht beklemmende Enge im Leben einer Familie in Deutschland spürbar zu machen, deren Eltern aus Ostanatolien stammen und in einem streng islamischen Weltbild, in einem hinterwäldlerischen Ehrenkodex und in einem zutiefst patriarchalen Gesellschaftsmodell verhaftet sind.

Der Film klagt an, doch er kommt ohne platte Klischees aus und zeigt auch die späteren Täter als mehrdimensionale Menschen. Im Mittelpunkt steht aber das spätere Opfer. Aynur, die es trotz ihrer Stärke, ihres Lebenswillens und ihres Kampfgeistes am Ende nicht schafft, zu überleben.

Beklemmend realistische Einblicke in eine Parallelwelt inmitten Deutschlands, aus der auszubrechen für eine Frau immer noch lebensgefährlich ist.

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Erstellt:
07.05.2019, 16:29 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 10sec
zuletzt aktualisiert: 07.05.2019, 16:29 Uhr

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