Our Mother

Our Mother

Eine 75-jährige Analphabetin aus Algerien tritt eine ereignisreiche Reise in ihre Vergangenheit an.

25.06.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Eine Mutter ist eine Mutter ist eine Mutter. Dass sie nebenbei auch eine Frau ist, deren Wünsche und Bedürfnisse über die Pflege der Brut hinausgehen, bleibt den Kindern meist verborgen oder sie wollen es gar nicht wissen. Diesen Umstand behandelt der Debüt-Spielfilmder Schauspielerin Fejria Deliba („Die Viererbande“) am Beispiel einer aus Algerien stammenden Französin.

Die 75-jährige Zayane (Poetry-Slammerin Tata Milouda) hat elf Kinder großgezogen, die zwar inzwischen erwachsen sind, aber weiterhin ihre Dienste als Köchin, Waschfrau und Babysitterin in Anspruch nehmen. Eines Tages bekommt die Witwe, die nie Lesen und Schreiben gelernt hat, eine Trauerkarte, deren Inhalt sie veranlasst, zum ersten Mal seit Jahren die Grenze ihrer Banlieue zu überschreiten - erst allein im Zug, später im Auto ihrer einzigen Vertrauten. Die Reise in die Provinz wird zu einem Trip in die Vergangenheit, auf dem ihre Begleiterin und die Zuschauer eine bislang streng verheimlichte Seite des vermeintlichen Kopftuch-Muttchens kennenlernen.

Derweil bricht in Zayanes Wohnung, wo sich nach und nach der gesamte Nachwuchs versammelt, Panik aus, weil die Mutter niemandem von ihrem Aufbruch erzählt hat. Durch Fundstücke kommen aber auch die Kinder alsbald dahinter, dass Zayane nicht nur das sich für andere aufopfernde Mauerblümchen ist, das sie seit 20 oder 40 Jahren zu kennen glauben.

Nebenbei nutzt die Regisseurin das Familientreffen, um ganz unterschiedliche Biografien von Migrantenkindern der zweiten Generation zu skizzieren: bei den Töchtern reicht das Spektrum vom Minirock bis zum Tschador. Kleiner Seitenhieb auf die aufgeregte Islamdebatte in Frankreich: Die gläubige Muslimin erweist sich als diejenige, die für das auch sexuell motivierte Doppelleben ihrer Mutter am meisten Verständnis aufbringt.