Porträt einer seelisch verödeten Krankenschwester, der die Begegnung mit einem Teenager die Chance zur Umkehr eröffnet.

Pas douce

Porträt einer seelisch verödeten Krankenschwester, der die Begegnung mit einem Teenager die Chance zur Umkehr eröffnet.

24.11.2015

Von Verleihinfo

Pas douce

Leih-DVD ab 16. April, Kauf-DVD ab 9. Mai 2008 (Anbieter: Concorde)

Zu den absonderlichsten Hervorbringungen des rumänischen Kommunismus unter Ceausescu zählt das Verbot von Verhütungsmitteln. Abtreibung galt als Verbrechen; vom dritten Monat an lautete die Anklage: Mord. Vor diesem Hintergrund spielt der in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnete Film von Cristian Mungiu.
Schauplatz ist eine rumänische Provinzstadt Mitte der achtziger Jahre. Die Studentin Gabita ist schwanger. Will sie nicht ihre Ausbildung in den Wind schreiben, bleibt nur eine Abtreibung. Dafür gibt es Wege, doch sie sind gefährlich und teuer. Um ein paar Ecken herum erfährt sie von einem gewissen Herrn Bebe, von keiner weiß, ob man ihm vertrauen kann.

Im Fokus des Films steht jedoch Otilia, ihre Zimmergenossin aus dem Studentenwohnheim. Aus Mitleid und Verantwortungsgefühl gegenüber der verstörten und unselbständigen Gabita regelt sie das ganze Drumherum ? und wird mit großer Wucht selbst in die Katastrophe gerissen. Schon das Anmieten eines Hotelzimmers gerät in diesem Gruselstaat zu einem kafkaesken Kraftakt. Die Verhandlungen mit dem seine Macht kühl ausspielenden Bebe sind eine einzige Demütigung. Und als Otilia ihre Freundin nach dem Eingriff allein lassen muss, macht sie das schlechte Gewissen schier wahnsinnig.

Regisseur Mungiu spielt raffiniert mit den dramatischen und kriminalistischen Aspekten der auf wenige Stunden konzentrierten Handlung. Die Hauptsache sind sie aber nicht. Das Augenmerk gilt vielmehr dem innersten Empfinden seiner Protagonistin, die von der Extremsituation völlig überfordert ist und sie mit urmenschlichem Instinkt trotzdem irgendwie meistert. Die Bilder sind von brutalstmöglicher Präzision. In einer der stärksten Szenen sieht man Otilia minutenlang wie in Trance inmitten einer lärmenden Geburtstagsparty älterer Herrschaften. Später irrt sie mit dem Fötus in der Tasche wie in einem endlosen Alptraum um Wohnblocks.

Grausam sachlich wie die Inszenierung ist auch das Spiel der Hauptdarstellerin Anamaria Marinca. Ohne theatralische Gefühlsausbrüche spürt man ihre immer unerträglicher werdende Seelenlast mit jeder Faser. Mehr als jedes politische Pamphlet spiegelt ihr Gesicht die Verkommenheit eines Systems, in dem der Mensch nur noch materielle Verfügungsmasse ist. Und frei von jedem Pathos setzen sie und der Film jenen ein Denkmal, die sich davon in ihrer Humanität nicht beirren ließen.