Paterson

Paterson

Sieben Tage im Leben eines dichterisch ambitionierten Busfahrers in einer amerikanischen Provinzstadt, erzählt von Jim Jarmusch.

17.10.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Paterson

Die USA versinken im Hass, steuern auf einen neuen Bürgerkrieg zu? Nicht in Paterson, dem Schauplatz des 13. Films von Independent-Ikone Jim Jarmusch („Broken Flowers“). In der Kleinstadt vor den Toren New Yorks gehen die Menschen gleich welcher Hautfarbe oder Herkunft respekt-, wenn nicht liebevoll miteinander um. Die Hauptfigur (die den gleichen Namen trägt wie seine Heimatstadt) schreibt nicht Hasskommentare oder sonstigen Unfug auf Facebook, sondern Gedichte.

Jarmusch schildert sieben Tage aus dem Leben dieses weißen Durchschnittstypen, die auf den ersten Blick ereignisloser kaum sein könnten, auf den zweiten jedoch den ganzen Reichtum des Lebens offenbaren. Paterson („Star Wars“-Star Adam Driver) steht jeden Morgen gegen 6 Uhr auf, nimmt ein karges Frühstück zu sich, lenkt tagsüber einen Bus durch die Stadt, pflegt abends zärtliche Konversation mit seiner ständig Pläne schmiedenden Frau (Golshifteh Farahani), geht Gassi mit dem Hund und gönnt sich unterwegs ein Feierabendbier in einer vorwiegend von Afroamerikanern frequentierten Kneipe. Zudem verwendet er jede freie Minute darauf, seine Beobachtungen in naive Alltagslyrik zu verwandeln.

Ist ein solches Idyll aber nicht dazu da, irgendwann zertrümmert zu werden – zumindest im Kino? Jarmusch spielt so vergnügt wie raffiniert mit entsprechenden Erwartungen. Mal kreuzt eine Gang von Halbstarken Patersons Weg, mal droht ein Beziehungsstreit in der Kneipe zum Amoklauf zu eskalieren. Doch stets lösen sich derartige Bedrohungslagen durch die Sanftmut aller Beteiligten in Wohlgefallen auf – bis es am Ende aus einer ganz unerwarteten Richtung doch noch zu einer kleinen Katastrophe kommt.

Konventionell erzählt wäre diese Utopie einer friedfertigen Welt womöglich schwer zu ertragen. Dass „Paterson“ stattdessen ein Meisterwerk ist, liegt an dem seriellen Korsett, in das Jarmusch die Geschichte spannt. Die nur minimal variierte Gleichförmigkeit in Patersons Alltag schärft den Zuschauer-Blick für jede kleine Abweichung: jene unscheinbaren Besonderheiten des Lebens, die in 99 Prozent aller Filme links liegen gelassen werden, hier jedoch – und das vollkommen zu Recht – zum eigentlichen Quell des Glücks stilisiert werden.

Hätten die Amerikaner bloß mal statt Hillary Clinton diesen Film gegen Donald Trump ins Rennen geschickt.

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Erstellt:
17.10.2016, 14:26 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 05sec
zuletzt aktualisiert: 17.10.2016, 14:26 Uhr

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Elli Emann 28.11.201607:59 Uhr

Ein absout bezaubernder Film, "typisch Jarmusch" ! Auf lakonische Weise erzählt er das ganz normale Leben eines Durchschnittsbürgers,vermeintlich ohne Höhen und Tiefen. Trotzdem (oder deshalb?) ist der Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute gefangen, Langeweile kommt nicht auf. Wunderbar......