Kalte Königskinder - ein Film voller Überraschungen

Rois et Reine

Kalte Königskinder - ein Film voller Überraschungen

24.11.2015

Von ust

Rois et Reine

Am Anfang und Ende steht ein sanftes „Moon River?, dazwischen könnten zweieinhalb beschwingte Filmstunden liegen. Aber es kommt anders. Dies ist ein Film der ungewöhnlichen Perspektiven, der Überraschungen, Brüche und Geheimnisse. Zwei Personen, die eigentlich weit voneinander entfernt sind, nähern sich einander, um sich genauso schnell wieder zu verlieren. Das Karussell dreht sich weiter. Die Beziehungen sind austauschbar, die Welt ist voller Könige und Königinnen. Halt, in diesem Fall ist es nur eine Königin. Neben Nora (Emmanuelle Devos) kann es keine zweite geben.

Zunächst lernen wir die schöne Frau als eine erfolgreiche und zärtliche Königin der Herzen kennen. Es gibt einige Männer in ihrem Leben, angefangen vom Vater über Ex-Ehemänner bis hin zum Sohn. In der Begegnung mit dem Sohn bröckelt der Glorienschein alsbald. Viel mehr als die narzisstische Projektion des eigenen Egos ist da nicht. Aber es kommt noch schlimmer. Gründlicher kann man eine Person kaum demontieren, als es Regisseur Arnaud Desplechin mit seiner Nora macht. Während sie gerade ihre dritte Ehe plant, stirbt ihr Vater an Krebs. Eine traurige Geschichte, die die Lieblingstochter aus der Bahn wirft. Doch mitten in Noras Leid platzen die letzten Worte des Vaters aus unglaublichem Hass und dem Wissen über die Schuld seiner Tochter am Tod des ersten Mannes. Nora jedoch hat sich mit ihren Gespenstern längst arrangiert. Sie ist eine Eiskönigin, die sich gerade ihr nächstes Heim einrichtet.

Der zweite Held des Films ist Ismael (Mathieu Amalric), ein wunderbarer, liebenswürdiger Bruder Leichtfuß. Doch genauso kalt wie Nora. Dass die Leben der beiden mal miteinander verbunden waren, lässt der Regisseur lange offen. Und die beiden Königsdramen, das eine mit dem sterbendem Vater, das andere mit Zwangseinweisung in die Psychiatrie, verweben sich nur kurz in dieser Welt, in der mal eben jemand adoptiert wird (oder auch nicht) und Sinnfragen beim Analytiker oder Magier geparkt werden. Der Film in all seiner munteren Rätselhaftigkeit wurde im vergangenen Jahr von den französischen Filmkritiker zum Film der Jahres gekürt.