Vergesst Spider und Batman. Nach diesem süßen Alptraum muss die Comic-Filmgeschichte neu geschrieben werden.

Sin City

Vergesst Spider und Batman. Nach diesem süßen Alptraum muss die Comic-Filmgeschichte neu geschrieben werden.

24.11.2015

Von che

Sin City

Schon wieder so ne alberne Comic-Verfilmung? Von wegen. Das Besondere beginnt mit der Vorlage selbst. Frank Millers Zyklus „Sin City? fällt unter die „Graphic Novels?, eine im Angelsächsischen geläufige Literatur-Gattung, das sich von den Cartoon-Heftchen durch ausgeklügelte Zeichnungen und eine einigermaßen epische Geschichte abhebt. Das allein adelt einen Film indes noch nicht, wie man zuletzt an der misslungenen Alan-Moore-Adaption „Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman? sehen musste.

Dagegen hat „Sin City?-Regisseur Robert Rodriguez („From Dusk Till Dawn?) alles richtig gemacht ? vielleicht, weil er sich gar nicht erst an einem eigenen Stil versucht hat. Drei von bisher 13 Bruchstücken der Vorlage wurden quasi Bild für Bild ins Medium Film übersetzt. Ihr gemeinsamer Nenner ist der Schauplatz Basin City, ein (post)modernes Sodom und Gomorrha, wo Verbrechen, Korruption und Prostitution regieren und das einzige Gesetz das Recht des Stärkeren ist. Die zentrale Episode schildert mit lust- und liebevoll ausgekosteter Gewalt den Rachefeldzug eines psychopathischen Killers mit Herz (Mickey Rourke, der zum garstigen Narbengesicht gestylt ein furioses Comeback hinlegt), dessen Geliebte neben ihm im Bett ermordet wurde. Ferner jagt Bruce Willis als letzter ehrlicher Bulle der Stadt einen Kinderschänder aus der guten Gesellschaft. Und ein Scharmützel zwischen den Lovern derselben Frau eskaliert zu einem Blutbad im Rotlichtviertel.

Leicht hätte man aus solch prächtigem Schund einen handelsüblichen Actionknaller fabrizieren können. Doch statt bloß die Figuren und Plots fürs Hollywood-Gefällige auszuschlachten, ging es Rodriguez vor allem um die adäquate Ästhetik. Und das heißt in diesem Fall eben nicht, opulente Bildermassen aufzutürmen, sondern im Gegenteil das Spröde und Minimalistische des gedruckten Originals zu akzentuieren.

So agiert das imposante Starensemble (neben den schon genannten Elijah Wood, Jessica Alba, Benicio Del Toro, Clive Owen und einige mehr) kalkuliert linolschnittig in teils atemraubender Maskerade. In den virtuellen Kulissen dominiert die schlichte Geometrie des Expressionismus. Der Regisseur (der nebenbei auch für Kamera, Schnitt und Musik verantwortlich ist) schreckt nicht einmal vor kassengiftigem Schwarzweiß zurück, das gelegentlich von grellen Farbtupfern auf Lippen, Kleidern oder Haaren durchbrochen wird.

Das eigentliche Wunder aber ist, dass die Storys trotz des artifiziellen Designs eine verblüffend emotionale Wirkung entfalten. Die prickelnd düstere Atmosphäre klassischer Noir-Krimis und nachtschattiger Gruselfilme, die der Regisseur heraufbeschwört, verdichtet sich zu einem süßen, von monströsen Ausgeburten und Verderben bringenden Femmes fatales bevölkerten Alptraum, aus dem man gar nicht mehr erwachen möchte. Aber zum Glück sind ja schon zwei Fortsetzungen in Planung.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 16sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Der K 04.07.200512:00 Uhr

Leute, noch ist's Zeit. Unbedingt bis Kinostart Frank Millers Comics rund um Sin City lesen - - - zwecks Einstimmung und Vorfreude. Der Film ist NICHT WIE die Vorlage, der Film IST Sin City!!

coyote 03.07.200512:00 Uhr

und wie recht du hast, wolfman!!

Wolfman 01.07.200512:00 Uhr

Der bislang beste US-Film des Jahres und der vielleicht beste Mainstream-Streifen seit "Kill Bill 1". This is real Pulp Fiction!

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