Something's gotta give - Was das Herz begehrt

23.11.2015

Kurzkritik: Ungewollte Schwangerschaften enden im Kino meist mächtig tragisch oder im doch noch irgendwie herbeigezwungenen Mutterglück. Dass es auch anders geht, beweist dieser entzückende zweite Film von Regisseur Jason Reitman („Thank You For Smoking?). Nach dem ersten Schrecken, von ihrem verdrucksten Klassenkameraden geschwängert worden zu sein, entschließt sich die 16-jährige Juno (Ellen Page) für einen pragmatischen Umgang mit der vermeintlichen Katastrophe. Unterstützt von ihren patenten Eltern, sucht der Teenager auf eigene Faust ein adoptionswilliges Pärchen. Obwohl das passende Exemplar schnell gefunden scheint, bleiben dramatische Verwicklungen und Rückschläge nicht aus. Doch Junos gesunder Mädchenverstand und Reitmans lässig ironischer Erzählduktus lassen letztlich keine Zweifel, dass der Gratweg zwischen schwerem Konflikstoff und hinreißendem Spielwitz zu einem für alle Beteiligten annehmlichen Ende führt. Nebenbei erteilt der Film ? ganz unaufdringlich und ein bisschen utopisch ? die Lektion, dass sich selbst heikelste Probleme lösen lassen, wenn man sie mit Vernunft statt mit Ideologie (etwa von der naturgesetzlichen Mütterlichkeit) angeht. Und so was aus Hollywood. (che)


Langkritik: Die freche Juno und der nette Bleeker, zwei US-Teenager aus der Bilderbuch-Vorstadt, haben es getan. Juno wollte es so, und Bleeker mochte kein Spielverderber sein. Das gemeinsame Sex-Erlebnis hat allerdings Folgen, denn Juno wird schwanger. Die 16-jährige ist viel zu intelligent und selbstbewusst, um sich dieser Situation hilflos ausgeliefert zu fühlen. Aber Juno will nach einer gescheiterten Beratung keine Abtreibung, sondern für ihr Baby im anschwellenden Bauch ein kinderloses Paar suchen.

Was daraus wird, erzählt einer der größten US-Kinoerfolge des vergangenen Jahres: die Komödie "Juno ". Regisseur Jason Reitman hat dabei die kürzlich mit dem Oscar für das beste Originaldrehbuch belohnte Vorlage der jungen Autorin Diablo Cody in Szene gesetzt. Auch das deutsche Publikum wird wohl begeistert sein von diesem mit wenig Aufwand gedrehten, aber reichlich Witz und Emotion enthaltenden Film. Denn selbst kritische Gemüter werden von dieser dynamischen Juno bezaubert. Das ist nicht zuletzt der Verdienst der Hauptdarstellerin Ellen Page, die 21 Jahre alt ist, aber jünger wirkt.

Page ist Herz und Seele der Komödie. Die zierliche kanadische Schauspielerin hat ein hellwaches Gesicht, neugierige Augen, die Schlagfertigkeit in ihrer Rolle nimmt man ihr gerne ab. Zwar bleibt im Film offen, warum sich Juno dazu entschließt, das Kind doch zu bekommen, vielleicht eine Schwachstelle des ansonsten perfekten Drehbuchs. Aber Page zeigt ihre Figur als solch vitalen weiblichen Kobold, dass die Zuschauer diese Entscheidung schon deshalb akzeptieren, weil eine triste Abtreibung einfach zu banal für eine wie Juno wäre.

Der Film hat, das macht seine Qualität aus, durchaus tragische Aspekte, die sich in dem von Juno zur Adoption ihres Ungeborenen ausgesuchten Adoptiv-Ehepaar Mark und Vanessa Loring konzentrieren. Beide sehen gut aus, haben viel Geld und sind nette Menschen, denen eigentlich nur ein Kind zum vollkommenen Glück fehlt. Doch das ist leider nur die Fassade, wie Juno im Verlauf der Handlung feststellen wird. Um so überraschender und bewundernswerter, wie der Teenager nach der Geburt auf die Veränderung zwischen Mark und Vanessa reagiert.

Jason Bateman als Mark und Jennifer Garner als Vanessa sind glaubwürdig in ihren Rollen als Erfolgsmenschen. Auch Michael Cera als Bleeker sowie Allison Janney als resolute Mutter und der kantige J.K. Simmons als verständnisvoller Vater von Juno tragen allesamt dazu bei, große Sympathie zum Personal des Filmes zu entwickeln. Der erst 30-jährige Regisseur Reitman, Sohn des Filmemachers Ivan Reitman ( "Ghostbusters "), hat aus Codys Vorlage einen der vergnüglichsten Filme der letzten Jahre gemacht. In den USA hat "Juno " knapp 140 Millionen Dollar eingespielt - bei einem Budget von gerade mal 7,5 Millionen. Ein Traum für Hollywood-Produzenten.

Für Hauptdarstellerin Page könnte dieser Erfolg der Schlüssel zur großen Hollywood-Karriere sein, wenn sie weitere für ihren Typ so geeignete Rollen bekommt. Die nun von frischem Oscar-Ruhm umgebene Drehbuchautorin Cody wird ihre nächsten Skripte gewiss zu Rekordpreisen verkaufen können. Dieser Film ist für alle Beteiligten einer jener Glücksfälle, deren größte Profiteure aber all die zahlenden Zuschauer sind, von denen die meisten aus der Kinovorstellung glücklicher herauskommen als sie hineingegangen sind.