The Kindness of Strangers

The Kindness of Strangers

Ein Winter in New York und eine Geschichte von vier Menschen, die ihre größte Lebenskrise meistern müssen.

11.12.2019

Von Madeleine Wegner

The Kindness of Strangers

Es ist kalt in Manhattan. Was nicht nur daran liegt, dass es Winter ist, sondern auch an einer Gesellschaft voller Extreme, in der die Reichen einem grotesken Luxus frönen, während direkt nebenan die Suppenküche die letzte Anlaufstelle für Gestrandete und Menschen ohne Perspektive bietet. Dorthin flüchtet Clara (Zoe Kazan) mit ihren beiden Söhnen. Sie flieht aus einem Provinzkaff, vor allem aber vor ihrem sadistischen Ehemann, dessen physische und psychische Gewalt auch die beiden Kinder traumatisiert hat. Ohne Geld, ohne Job, aber mit der Hoffnung auf ein besseres Leben.

Nur wenige Tage kann Clara sich und die Kinder durch kleine Diebstähle über Wasser halten, dann droht ihnen der Absturz in die Gosse – und der Ehemann nimmt ihre Spur auf. In dieser Lage trifft sie aber auch auf Menschen, die selbst nicht viel haben, sich aber trotzdem für andere bis zur Erschöpfung aufopfern. Eine davon ist die Krankenschwester Alice (Andrea Riseborough), die neben ihrem Hauptjob noch eine Therapiegruppe für Menschen leitet, die lernen sollen, sich selbst zu vergeben, und in der Suppenküche arbeitet. Und da gibt es noch Marc, den gerade aus dem Gefängnis entlassenen Koch, der in einem skurrilen russischen Restaurant anheuert.

[Textbaustein: ak2] Aus diesem Stoff hätte mit den hervorragenden Darstellern vielerlei entstehen können: sich kreuzende Lebenswege in einem Großstadtmoloch, ein Familiendrama mit Tiefgang oder auch ein sozialkritisches Weihnachtsmärchen. Leider kann sich Regisseurin Lone Scherfig („Italienisch für Anfänger“) aber weder für das eine noch für das andere entscheiden.

Und so bleibt der Film letztlich in vielen Facetten an der Oberfläche. Statt sich auf die einzelnen Figuren und ihre Geschichte einzulassen, werden Begegnungen konstruiert. Die soziale Spaltung wird durch süßliche Musik und melodramatisches Gutmenschentum zugekleistert. Dass der diesjährige Berlinale-Eröffnungsfilm dennoch bleibende Eindrücke hinterlässt, ist vor allem den Schauspielern geschuldet. Bis in die Nebenrollen überzeugen ausnahmslos alle Darsteller. Die Melancholie, die sie dabei zuweilen ausstrahlen, wirkt wie ihr Kommentar zu den vergebenen Möglichkeiten in diesem Film.

Leider rieselt der New Yorker Schnee hier als klebrige Puderzuckerschicht auf ein wunderbares Ensemble nieder.

The Kindness of Strangers

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Erstellt:
11.12.2019, 19:35 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 05sec
zuletzt aktualisiert: 11.12.2019, 19:35 Uhr

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