Musik wird sichtbar: Faszinierendes Filmgedicht über die fast unendlichen Möglichkeiten der Wahrnehmung.

Touch the Sound

Musik wird sichtbar: Faszinierendes Filmgedicht über die fast unendlichen Möglichkeiten der Wahrnehmung.

24.11.2015

Von ST

Touch the Sound

Während die einen sich jetzt an irgendeinem proppenvollen Strand zu Tode langweilen, dürfen die Daheimgebliebenen im Kino miterleben, wie liebestoll es in den Sommerferien zugehen kann. Dabei hatte sich auch die „Meeresfrüchte?-Familie, die an der Mittelmeerküste ein idyllisches Häuschen bezieht, auf Ruhe und Erholung eingestellt. Doch dann stößt der sommerliche Hormonüberschuss einen turbulenten Ringelreihen der Leidenschaften an. Das Töchterchen düst mit einem feschen Biker in eindeutiger Absicht nach Portugal weiter. Sohn Charly erregt den elterlichen Verdacht, womöglich schwul zu sein. Die Mutter lässt sich willig von ihrem heimlich hinterher gereisten Liebhaber belagern. Und dem Vater kommt aus gegebenen Anlass eine uralte Urlaubsaffäre mit dem schwulen Dorfklempner in den Sinn. Der Witz ist, dass jeder vom anderen immer das glaubt, was er gerade nicht tut oder ist.

Wer da eine typisch französische Sommerferienkomödie wittert, liegt nicht falsch. Aber auch nicht ganz richtig. Denn die Regisseure Olivier Ducastel und Jacques Martineau, die 1998 für ihr Aids-Musical „Jeanne et le garcon formidable? die Fliegende Kamera der Französischen Filmtage gewonnen haben, pflegen einmal mehr ihr Faible, Leichtigkeit der Inszenierung mit ernsten Hintergedanken zu kombinieren.

Hier sind es die Krise einer in Alltagsroutine erstarrten Ehe und die Zweifel an der sexuellen Orientierung, die sie in ein luftiges, aber nie ordinär wirkendes Sommerkleidchen stecken. Im Zweifel tendiert der im Original „Crutaces et coquillages? (Krustentiere und Muscheln) betitelte Film aber lieber zur märchenhaften Komödie als zum realistischen Drama; am Ende entsteigen alle ein bisschen belämmert aber fit für ein neues Leben dem auf Hochtouren rotierenden Liebeskarussell.

Dem Drift ins allzu Leichtgewichtige schiebt auch das souveräne Schauspieler-Ensemble einen Riegel vor. Jean-Marc Barr als weiser Schwuler vom Lande ist ein Kabinettstückchen für sich. Und Valeria Bruni-Tedeschi („5 mal 2?) blüht als auf familiäre Pflichterfüllung pfeifender Senior-Backfisch regelrecht auf. Nach so vielen Rollen am Rande des Nervenzusammenbruchs darf sie endlich einmal ganz entspannt ihren Sex-Appeal zelebrieren.