Kontrolliert mitfühlend: Stimmungsbild einer Jugendkultur (nicht nur) in den Zwanzigern.

Was nützt die Liebe in Gedanken

Kontrolliert mitfühlend: Stimmungsbild einer Jugendkultur (nicht nur) in den Zwanzigern.

24.11.2015

Von che

Was nützt die Liebe in Gedanken

1927 machte dieser Fall weltweit Schlagzeilen. Ein 19-jähriger Oberschüler hatte sich und einen gleichaltrigen Lehrling aus Liebeskummer erschossen. Sein bester Freund war im letzten Moment vor einer ähnlichen Bluttat zurückgeschreckt.

Wer von Achim von Borries? Film Aufschluss über die Hintergründe dieser „Steglitzer Schülertragödie? erwartet wird ebenso enttäuscht wie jene, die sich nach einer romantischen Schnulze mit finalem Helden-Selbstmord sehnen. Eher nüchtern und ohne jede Psychologisierung schildert der Film die letzten drei Tage vor der Katastrophe. Kernstück ist eine sommernächtliche Landhaus-Party, wo die Liebe abwechselnd erfüllt und enttäuscht wird. Wo sich jugendliche Gefühlswirren, dandyeske Philosophie, Absinth und Jazz zu einer somnabulen Stimmung verdichten, in der die Grenze zwischen Lebensgier und Todessehnsucht verschwimmt.

Borries? Blick auf dieses radikalpubertäre Lebensgefühl schwankt eigentümlich zwischen Faszination und Distanz. Immer wieder streut er ironische Wendungen ein, um das Überschäumen der Emotionen abzublocken und zugleich das Zeitlose der Geschichte zu betonen (am deutlichsten, wenn einer der Partygäste am Grammophon zu scratchen beginnt).

Warum dieser Rausch ? im Gegensatz zu Millionen anderer Fälle ? ins Verderben führt, bleibt letztlich unerklärt. Im Film kommt der Tod wie eine dem verkaterten Augenblick geschuldete Laune. Borries inszeniert ihn als Schock-Epilog: so unfassbar und eben doch real wie heutzutage die Katastrophen von Erfurt oder Columbine.