Verhaltenes Loblied auf den Eskapismus und einen seiner größten Verfechter.

Wenn Träume fliegen lernen

Verhaltenes Loblied auf den Eskapismus und einen seiner größten Verfechter.

24.11.2015

Von che

Wenn Träume fliegen lernen

Dies ist binnen eines Jahres schon die zweite Hollywood-Verfilmung der Abenteuer von Peter Pan. War P. J. Hogan mit immensem hightechnischem Aufwand bloß eine Schmalspur-poetische Version geglückt, so zaubert der Schweizer Marc Forster mit der gegenläufigen Strategie ein recht charmantes Rührstück auf die Leinwand.

Entscheidend ist der Kunstgriff, nicht das Märchen selbst, sondern seine Entstehungsgeschichte in den Blickpunkt zu rücken. Im Jahr 1903 befindet sich der Theaterautor J. M. Barrie (Johnny Depp) in einer Lebens- und Schaffenskrise. Erst die Begegnung mit der Witwe Sylvia (Kate Winslet) und ihren Kindern verhilft seiner Fabulierlust wieder auf die Sprünge. Er bekennt sich offensiv zu seiner Kindsköpfigkeit und erschafft eine die Wirklichkeit weit überflügelnde Traumwelt.

Geschickt verknüpft der Film Barries reale Erweckungs-Erlebnisse mit seinen kreativen Ausgeburten. Spezialeffekte braucht es dazu kaum. Unmerklich gleitet ein Piratenspiel im verwucherten Garten auf Captain Hooks Schaluppe hinüber. Die Meereswellen sind aus Pappe und Fee Tinker Bell ist nur ein Lichtblitz auf der Theaterbühne. Kompromisslos beherzigt Forster die altväterliche Gewissheit, dass die Fantasie des Zuschauers viel sprühender ist als jedes noch so prächtige Fantasy-Szenario eines Filmemachers.

Andererseits ist der Regisseur von „Monster?s Ball? klug genug, die Macht der Vorstellungskraft (inklusive der Illusionsmaschine Kino) nicht zum Allheilmittel aufzubauschen. Die Schrecken der Realität (Krankheit, Tod) kann sie nicht heilen. Ein bisschen lindern aber schon.