Yuli

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Das Biopic zeigt, was es den kubanischen Tänzer Carlos Acosta kostete, vom Straßenkind zum Weltstar aufzusteigen.

15.01.2019

Von Dorothee Hermann

Yuli
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Das Biopic eröffnete 2018 das Tübinger Cine Espanol.

Vor der nostalgischen Pracht der kubanischen Hauptstadt Havannas wächst Carlos, den sein Vater nach dem Sohn eines afrikanischen Kriegsgottes „Yuli“ nennt, unter ärmlichen Bedingungen auf. Dass er fantastisch tanzen kann, finden die Kids, mit denen er auf der Straße kickt, verdächtig, und auch Carlos würde viel lieber Fußballspieler werden als Tänzer.

Als er es vor allem durch die Hartnäckigkeit seines Vaters an die angesehene staatliche Ballettschule schafft, leidet der Junge unter der Trennung von der Familie und seinem gewohnten Umfeld, hält sich nicht an Regeln und steht mehrfach kurz vor dem Rausschmiss. Zwischen diese Stationen einer schmerzhaften Suche sind Probenszenen des erwachsenen Carlos Acosta montiert, in prachtvollen Bühnenräumen.

Teilweise sind diese Szenen mit kurzen Rückblenden versetzt, in denen den Künstler familiäre und historische Gewalterinnerungen bedrängen. Doch sein Vater Pedro, ein LKW-Fahrer, ist nicht nur der prügelnde Patriarch. Er macht den Sohn mit der vom Kolonialismus versehrten Familiengeschichte vertraut: Der Großvater war Sklave auf einer Zuckerrohrplantage, deren Name „Acosta“ automatisch auch derjenige aller Bediensteten auf dem Anwesen wurde. Der Vater macht dem Sohn bewusst, dass 350 Jahre Sklaverei Spuren in Körper und Seele der Nachfahren hinterlassen.

Der junge Carlos muss eine wachsende Zerrissenheit aushalten: zwischen der Zuneigung zu seiner Familie und der immer größeren, nicht nur räumlichen Distanz, die ihm der wachsende künstlerische Ruhm abverlangt. Es wird deutlich, dass seine Karriere für einen Jungen wie ihn die ganz große Ausnahme ist. Das hat er in der eigenen Familie vor Augen: Seine Schwester Berta sitzt nur noch teilnahmslos vor dem Haus und lässt die Tage verstreichen.

Der spanische Regisseur Icíar Bollaín findet eindrucksvolle Bilder für den außergewöhnlichen Lebensweg von Acosta, die mit ihrer Tiefenschärfe den Zuschauer in sich hineinziehen. Kunstvolle Licht- und Schatten-Effekte erzeugen die changierende Atmosphäre, die für Carlos‘ schmerzhafte Identitätsfindung charakteristisch ist. Nebenbei ist der Film ein grandioses Plädoyer für Diversität, auf Kuba mehr noch als in London, wo Acosta als erster schwarzer Romeo auf der Bühne steht.

Ungestümes Naturtalent aus einem kubanischen Armenviertel nimmt fast wider Willen seine große Begabung an.

Yuli

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Erstellt:
15.01.2019, 20:44 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 06sec
zuletzt aktualisiert: 15.01.2019, 20:44 Uhr

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