Lob der lieben Wohngemeinschaft – aber ganz so schön ist‘s im wahren Leben nicht.

Zusammen ist man weniger allein

Lob der lieben Wohngemeinschaft – aber ganz so schön ist‘s im wahren Leben nicht.

24.11.2015

Von che

In Tübingen ist die Wohngemeinschaft seit jeher eine beliebte Wohnform. Nicht nur, weil sie die Kosten drückt, sondern auch als probates Mittel gegen Vereinzelung oder (vor-)eheliche und kleinfamiliäre Bedrückung. Ihre therapeutische Kraft preist nun auch der Film des bereits 73-jährigen französischen Regisseurs Claude Berri.

Mühselig und beladen sind die Helden am Beginn der Geschichte. Franck (Guillaume Canet) ist Koch im Dauerstress und in seiner kargen Freizeit missmutig, bedröhnt oder krampfhaft mit Frauenvernaschen beschäftigt. Dass er sich neuerdings um seine bettlägrige Oma und deren Hauszoo kümmern muss, hellt seine Stimmung nicht gerade auf.

Sein Wohngenosse Philibert (Laurent Stocker) ist schüchtern und stottert, was bisher die Erfüllung seiner Lebensträume ? allen voran eine Bühnenlaufbahn ? vereitelt hat. Aus Mitleid schleppt der großherzige Spross eines dekadenten Adelsgeschlechts eines Tages die abgemagerte Camille (Audrey Tautou) in die Zweck-WG. Die begabte Zeichnerin verdingt sich mangels Selbstachtung als Putzfrau und kränkelte zuletzt in einem eiskalten Verschlag unterm Dach vor sich hin.

Nach anfänglichen Unstimmigkeiten im neuen Wohnverbund ? in den später auch die Oma aufgenommen wird ? passiert, womit zu rechnen war: Dank bedingungslosen Einstehens füreinander überwinden die von familiären Katastrophen gebeutelten Unglücksraben ihre psychischen oder physischen Handicaps und biegen auf die Straße zum Lebensglück, das auch in einem sanften Tod bestehen kann.

Märchenhaft und frei von jeglicher psychologischen Finesse entwickelt Berri dieses Loblied auf zwischenmenschliche Solidarität und die Gemeinschaft der beinahe Heiligen. So etwas Schönes lässt man sich gern mal gefallen ? zumal die Schauspieler die grundgütigen Figuren mit ein paar witzigen Macken aufrauen.

Wenn dann aber im zweiten Teil wirklich jeder Handlungschlenker darauf aus ist, die Wende zum zuckersüß Herzensguten zu befördern, wird es etwas nervig. Merkwürdig auch, dass am Ende alles auf zweisames Glück im privaten Winkel hinausläuft. Ist das wirklich der Wohngemeinschaft letzter Schluss?

Zusammen ist man weniger allein