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411 Beamte, null Vorkommnisse

Den Steuerzahler hat der Einsatz eines gewaltigen Polizeiaufgebots beim Landes- parteitag der AfD Anfang März 182500 Euro gekostet. Passiert ist: nichts.

06.04.2017

Von Cristina Priotto

Fahrzeug an Fahrzeug standen die Polizeiautos beim Landesparteitag der AfD in Sulz. Eingreifen war zu keinem Zeitpunkt nötig. Bild: Breitmaier

Fahrzeug an Fahrzeug standen die Polizeiautos beim Landesparteitag der AfD in Sulz. Eingreifen war zu keinem Zeitpunkt nötig. Bild: Breitmaier

Der Landesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) liegt mittlerweile einen Monat zurück. Die Sulzer und Besucher erlebten Anfang März die beschauliche Stadt in einem Ausnahmezustand: Rund um den Backsteinbau standen Metallzäune, Hundertschaften von Polizisten patrouillierten mit Autos, Bussen, zu Fuß, als Hundeführer und auf Pferden.

Die SÜDWEST PRESSE hatte seinerzeit beim Polizeipräsidium in Tuttlingen nach der Zahl der Einsatzkräfte gefragt, jedoch auch im Nachhinein von dort keine Auskunft erhalten.

Daraufhin wandte unsere Zeitung sich ans Innenministerium und erkundigte sich auch nach den Kosten des Großaufgebots.

Die Antwort traf nun Mitte dieser Woche ein: Beim Einsatz anlässlich des Landesparteitags der AfD in Sulz am 4. und 5. März wurden demnach 411 Polizeibedienstete eingesetzt – etwa genauso viele wie die rund 400 Delegierten. Erstere leisteten zusammen 3090,5 Stunden. Carsten Dehner von der Pressestelle des Innenministeriums in Stuttgart erklärte dazu, es habe sich dabei um die frühere Bereitschaftspolizei gehandelt, die zusätzlich zu den Polizeikräften von vor Ort aus Präsidien aus dem ganzen Land für den zweitägigen Einsatz in Sulz abgezogen worden seien.

Aber wozu wird eine Reiterstaffel überhaupt mitten in eine Innenstadt geschickt? „Das wirkt beeindruckend allein auf Grund der Größe eines Pferdes und bietet den Beamten eine erhöhte Sicht“, erklärte Dehner im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE und fügte hinzu: „Es hat weniger den Sinn, Fliehende schnell zu fassen, sondern wird eher wegen der psychologischen Komponente praktiziert“.

Doch hatten die mehr als 400 Polizisten während des Treffens der AfD-Delegierten in der Stadthalle im Backsteinbau überhaupt etwas zu tun? Auf Nachfrage teilte Thomas Kalmbach vom Polizeipräsidium Tuttlingen mit: „Es gab keine Vorkommnisse. Es war alles ruhig, friedlich und unauffällig“. Das aus Polizeisicht „angemessene Aufgebot“ war im Vorfeld im Rahmen des Sicherheitskonzepts damit begründet worden, dass Störungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Gegendemonstrationen oder Protestversammlungen gab es nicht.

Innenministerium nennt Zahlen

Dem gegenüber stehen nach Angaben des Innenministeriums Einsatzkosten von 182500 Euro, die für die Abordnung der 411 Polizeibeamten in Sulz anfielen.

Die bislang dreimalige Vermietung der Stadthalle an die AfD sorgt im Gemeinderat zunehmend für Unmut: Ein Antrag der SPD-Fraktion, das Gremium vorab über die Vermietung des Gebäudes, speziell an Parteien, vorab zu informieren, war im März 2016 noch mehrheitlich abgelehnt worden.

Doch bei der Übergabe der „Sulzer Erklärung“ zum Landesparteitag deutete Cornelia Bitzer-Hildebrandt an, dass das Gremium solche Vermietungen überdenken werde. Die abschreckende Wirkung des polizeilichen Großaufgebots könnte somit eher Folgen für die Stadt als für AfD-Gegner haben, zumal das Innenministerium jetzt die Zahl der Beamten und die Kosten offengelegt hat.

Kosten entsprechen 26 Jahren Lohnsteuer

Ein Angestellter, der im Durchschnitt 2500 Euro brutto im Monat verdient, bezahlt nach Auskunft des Lohnsteuerhilfevereins Sulz bei einem jährlichen Gesamtbruttoeinkommen von 30000 Euro jedes Jahr 7000 Euro an Lohnsteuer an den Staat.

Für die Kosten des Polizeieinsatzes beim AfD-Landesparteitag müsste ein Angestellter 26 Jahre lang arbeiten.

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Erstellt:
06.04.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 06.04.2017, 01:00 Uhr

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