60 Fälle allein in Nordstetten

Autozerkratzer Im SÜDWEST PRESSE-Interview äußert sich Polizeisprecher Michael Aschenbrenner zu der nie da gewesenen Serie von Sachbeschädigung an Privatfahrzeugen. Bürgerwehren steht der Beamte kritisch gegenüber.

17.11.2016

Von Benjamin Breitmaier

Eines von 60: Die Serie von Sachbeschädigungen in Nordstetten scheint nicht abzureißen. Bild: Kuball

Eines von 60: Die Serie von Sachbeschädigungen in Nordstetten scheint nicht abzureißen. Bild: Kuball

Horbs Fahrzeughalter kommen nicht zur Ruhe. Seit den Vorfällen im September dieses Jahres in Nordstetten ist zwar einige Zeit vergangen, aber jetzt sind es schon mehrere Nächte in Folge, in denen Fahrzeuge – scheinbar ohne erfindlichen Grund – beschädigt wurden. Der oder die Autozerkratzer treiben immer noch ihr Unwesen. Im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE äußert sich der Polizeisprecher des Tuttlinger Polizeipräsidiums, Michael Aschenbrenner, zum ganzen Ausmaß der Serie. Außerdem gibt er Empfehlungen, wie sich Fahrzeughalter wenigstens zum Teil schützen können.

SÜDWEST PRESSE: Herr Aschenbrenner, wie viele Vorkommnisse von zerkratzten Autos hat die Polizei seit dem ersten Auftreten im September im Kreis Freudenstadt registriert? Welche Orte waren betroffen?

Michael Aschenbrenner: Allein in Nordstetten wurden etwa 60 Fälle registriert. Hier sprechen wir von einer Serie. Außerdem gab es auf dem Hohenberg mehrere Fälle, hier waren es mindestens 14 Vorkommnisse. Ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Orten gibt, ist schwierig zu sagen. Insgesamt sind es damit mindestens 75 Fälle. Auch in Baiersbronn und in anderen Orten gab es einige Fälle, aber die Häufigkeit lag im restlichen Kreis Freudenstadt eher im normalen Bereich. Diese Fälle sehen wir nicht in Verbindung mit der Serie in Horb.

Wie hoch schätzt die Polizei, den Gesamtschaden ein, der entstanden ist?

Die Polizei geht pro Vorfall im Durchschnitt von 1000 Euro Schaden aus. In Nordstetten wären wir damit etwa bei 60 000 Euro Schaden, von den Vorfällen auf dem Hohenberg kommen etwa 15 000 bis 20 000 Euro hinzu. Insgesamt befindet sich die Schadenssumme damit im hohen fünfstelligen Bereich.

Gab es im Polizeipräsidium Tuttlingen ähnliche Serien an Sachbeschädigungen, oder ist die Serie in Horb ein Sonderfall?

Eine Serie in dieser Form und Häufigkeit hatten wir im Bereich des Präsidiums noch nicht.

Bei den Fällen in Nordstetten hat die Polizei einen Anfangsverdacht. Gibt es hier Neuigkeiten? Kamen Hinweise aus der Bevölkerung?

Die Polizei tappt nicht im Dunkeln, es gibt definitiv Ermittlungsansätze, die ich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht weiter erläutern will. Aus der Bevölkerung sind bisher noch keine konkreten Zeugenhinweise eingegangen.

Von wie vielen Tätern geht die Polizei mittlerweile aus?

Wir gehen von einer Einzeltäterschaft aus. Was wir allerdings nicht wissen, ob irgendwelche Trittbrettfahrer auf die Geschichte aufspringen. Es handelt sich aber vermutlich nicht um Tätergruppierungen.

In Nordstetten wurde in den vergangenen Wochen, die Straßenbeleuchtung nachts durchgehend angelassen. Würden Sie empfehlen, diese Maßnahme zu wiederholen, womöglich auch in anderen Ortschaften? Welche Empfehlungen geben Sie noch?

Helligkeit ist immer gut, keine Frage. Außerdem sollten die Leute versuchen, wenn es möglich ist, ihr Fahrzeug nicht direkt auf der Straße, sondern auf einem Hofgelände oder Ähnlichem abzustellen. Wenn der Täter weg muss von der Straße, wird es für ihn schwieriger. Außerdem besteht die Möglichkeit, am Haus Bewegungsmelder anzubringen, damit das Licht angeht. Sein privates Grundstück kann man natürlich auch mit technischen Geräten überwachen. Im öffentlichen Raum geht das nicht. Des Weiteren könnte man sich mit den Nachbarn absprechen. Wenn viele sehr aufmerksam sind, ist das besser, als wenn es nur einige sind. Wenn man irgendetwas Verdächtiges sieht, sollte man die Polizei anrufen. Man darf keine Hemmungen haben, wenn jemandem etwas merkwürdig vorkommt – sei es noch so unscheinbar. Beispielsweise wenn jemand eine verdächtige Person beobachtet. Wenn jemand mit Parka rumläuft, sein Gesicht nicht zeigt, kann er dies möglicherweise tun, weil es ihm kalt ist, es kann aber eben auch sein, dass er nicht erkannt werden möchte – dann ruft man selbstverständlich die Polizei. Auch Dinge, die vielleicht nicht so verdächtig wirken, könnten dazu dienen, dass dies für die Polizei ein guter Tipp ist.

Nachdem es in den vergangenen Nächten immer wieder Vorfälle gab. Wie wird die Polizei darauf reagieren? Werden Streifen verstärkt?

Wir wollen jetzt einen gewissen Verfolgungsdruck aufbauen. Es wird definitiv so sein, dass die Polizei verstärkt im Einsatz ist. Es gibt Sonderstreifen. Es gibt zusätzliche Maßnahmen, die über das normale Streifenfahren hinausgehen. Zum einen steht hier der Präventionsgedanke im Vordergrund, zum anderen wollen wir den Täter aber auch erwischen.

Die Bürger Nordstettens sind mittlerweile derart verunsichert, dass bereits diskutiert wird, ob eine Art Bürgerwehr nicht sinnvoll wäre. Wie sieht die Polizei Gedanken in diese Richtung?

Wir sind für die Verfolgung von Straftaten zuständig, man spricht ja auch vom Gewaltmonopol der Polizei. Natürlich können wir niemandem verwehren, selbst durch die Gegend zu laufen, sich umzusehen, aber man sollte sich keineswegs selbst gefährden. Grundsätzlich gilt: Wir benötigen keine Bürgerwehren. Wir wären jedoch vermessen, keine Hilfe aus der Bevölkerung anzunehmen. Selbstverständlich kann man beispielsweise vom gesicherten Zuhause aus beobachten, was draußen so vor sich geht. Aber selbst Streife zu laufen, sehen wir eher kritisch, weil man nicht weiß, wie sich das entwickelt, wenn der Täter sich entdeckt fühlt. Wir wollen nicht, dass sich Bürger in Gefahr begeben.