Nahversorgung

74 Seiten Uneinigkeit

Die Baurechtsbehörde Horb wird demnächst die Baugenehmigung für den Edeka-Markt in der Stuttgarter Straße erteilen. Der Rechtsstreit zwischen Verwaltung und dem Bauunternehmer Gustav Scherer geht dennoch weiter.

20.02.2019

Von Maik Wilke

Seit der Gehweg entlang der Stuttgarter Straße gebaut wurde, ist nicht mehr viel passiert. Der Bebauungsplan ist längst Gegenstand eines Rechtsstreits geworden. Archivbild: Wilke

Seit der Gehweg entlang der Stuttgarter Straße gebaut wurde, ist nicht mehr viel passiert. Der Bebauungsplan ist längst Gegenstand eines Rechtsstreits geworden. Archivbild: Wilke

Die Planung für einen Edeka in Eutingen ist längst zum juristischen Kleinkrieg zwischen dem Anwalt der Gemeindeverwaltung Eutingen und dem Anwalt Gustav Scherers geworden. Ob und wie sind Nisthilfen am Gebäude anzubringen? Wie stark darf das Gebäude nachts beleuchtet sein? Wie darf die Wildhecken- und Sichtschutzbepflanzung aussehen?

Die Eutinger Bezirksbeiräte kämpften sich in ihrer Sitzung am Montagabend durch die einzelnen Punkte, die nach der vierten öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans geändert werden sollten, „weil wir alles nötige dafür tun sollten, ja keinen Verfahrensfehler zu begehen“, betonte Rat Hubert Lachenmaier. Doch die Argumente, die in dem Konvolut an Einwenden (siehe Infokasten) zwischen den Juristen ausgetauscht werden, sind für Bürger längst nicht mehr nachvollziehbar – geschweige denn prüfbar. Auf 74 Seiten streiten sich die Parteien um exakte Formulierungen, die selbst bei Bürgermeister Armin Jöchle sichtbar für Frustration sorgen.

Schon in der Bürgerfragestunde hatte ein Eutinger die einfache Frage gestellt, die derzeit aber so schwer zu beantworten ist: Kommt der Edeka, und wenn ja, wann kommt er? Mit dem Satzungsbeschluss, den der Eutinger Gemeinderat gestern Abend beschlossen hat, könne nun die Baurechtsbehörde in Horb dem Unternehmen Edeka die Baugenehmigung erteilen, antwortete Jöchle, um aber gleich wieder einzuschränken: „Ob dann auch gegen die Baugenehmigung geklagt wird, können wir halt nicht absehen.“ Die Zermürbungstaktik des Einwenders Scherer, der sich nicht an den Erschließungskosten beteiligen möchte, könnte also auch auf nächster Instanz weitergehen.

Umso wichtiger ist es den Amtsträgern zu betonen, dass man sich weiterhin voll für den Bau des Einkaufladens einsetze. Edeka habe nach wie vor, also trotz der Widrigkeiten, großes Interesse, eine Filiale in Eutingen zu erreichten, erklärte Bürgermeister Jöchle. Und auch die Räte würden sich weiter entschlossen hinter das Projekt stellen, ergänzte Hubert Lachenmaier: „In unserem Rechtsstaat gibt es für Menschen große Möglichkeiten, ihre Einwende gegen ein Projekt rechtlich durchzubringen. Und diese Möglichkeiten werden in diesem Fall in vollem Umfang ausgeschöpft.“

Seite um Seite blätterte sich der Beirat durch den erneut bearbeiteten Bebauungsplan „Stuttgarter Straße“, um dann guten Gewissens seine Empfehlung für den Gemeinderat auszusprechen, diesen als Satzung zu beschließen. Ein weiterer kleiner formeller Schritt Richtung Verbrauchermarkt in Eutingen, dem demnächst die Baugenehmigung aus Horb folgen wird.

Am Ende, bereits nach dem Beschluss, fasste Bürgermeister Jöchle beinahe murmelnd nochmal zusammen, worum es trotz aller juristischer Kniffe und Formalitäten geht: „Es ist eine Abwägung, ob man sich an den Kosten für die Erschließung beteiligt, oder das andere zahlen lässt, obwohl man selbst Vorteile davon hat.“

Auszug aus den Einwenden

Um dem Leser einen Eindruck zu vermitteln, welche Einwendungen gegen den Bebauungsplan „Stuttgarter Straße“ erhoben werden, folgt hier ein Auszug aus den Stellungnahmen. Es geht um die „Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung“, die laut Einwand rechtswidrig seien:

„Einwand 6.3: Ziffer 3.2.2. des Entwurfs der textlichen Festsetzung sieht eine Überschreitungsmöglichkeit bei der Grundflächenberechnung nach §19 Abs. 4 S.3 BauNVO nicht bloß in einem Umfang von 50 % oder bis zum Höchstwert einer Grundflächenzahl von 0,8 vor, sondern sogar um bis zu 150 %! Dies ist abwägungsfehlerhaft. 6.3.1: Denn dies führt dazu, dass für die in §19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO bezeichneten „Nebenanlagen“ eine weitgehende Nichtanrechnung erfolgt und damit der Wille des Verordnungsgebers unterlaufen wird, der Zweck des §19 Abs. 4 BauNVO verfehlt wird (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 129. EL Mai 2018, BauNVO §19 Rn. 21).“

Die Stellungnahme der Verwaltung dazu: „§19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO regelt, dass im Bebauungsplan eine von §19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO abweichende Regelung zugelassen werden kann, Voraussetzung ist allerdings, dass die Grundflächenzahl von 0,8 nicht überschritten wird.“

Wer Interesse an der vollständigen Lektüre (74 Seiten) hat, findet diese über das Ratsinformationssystem auf der Homepage der Eutinger Gemeindeverwaltung.

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Erstellt:
20.02.2019, 10:25 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 58sec
zuletzt aktualisiert: 20.02.2019, 10:25 Uhr

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