Krasses Gegenstück aus der Region Nord-Pas de Calais zu „Willkommen bei den Sch’tis“.

9 mm

Krasses Gegenstück aus der Region Nord-Pas de Calais zu „Willkommen bei den Sch’tis“.

23.11.2015

Von Thomas Volkmann

9 mm

Wir sollten reden?, spricht an einem Herbsttag der wegen einer Gehbehinderung arbeitslose Roger (Filip Peeters) seiner Frau Nadine (Anne Coesens) auf die Mailbox. Die wiederum kündigt ihrem Sohn (Morgan Marinne) gegenüber ernste Worte am Abend an, nachdem der wegen einer Dummheit auf ihrem Polizeirevier gelandet ist.

Für Gespräche aber ist es, genau genommen, in dieser im Norden Frankreichs nahe der belgischen Grenze lebenden Familie längst zu spät. Es ist der erste Langfilm des in Istanbul geborenen und in Belgien aufgewachsenen Regisseurs Taylan Barman. In sein Thema der Sprach-, Rat- und Perspektivlosigkeit steigt er bereits in der Eröffnungssequenz anschaulich ein. Mit einem Umkleideraum auf der Polizeistation, einem Friedhof und einer Gefängniszelle zeigt er drei Orte, an denen Vater, Mutter, Sohn später ? jeder für sich ? über ihre Situation sinnieren werden.

Weil eingangs hinter der Wohnungstüre der Familie ein Schuss fiel, ist man sich fortan zwar eines tragischen Vorfalls gewiss, mit der Auflösung aber hält Barman geschickt hinterm Berg. Mehr noch, als er in der Rekapitulation des unheilvollen Tages immer wieder zurückspringt, um sich dem Erleben der anderen Figuren, vor allem aber dem Blick in deren ratlose, verzweifelte, sinnsuchende Gesichter zu widmen. Wie in Echtzeit lässt er den Betrachter teilhaben an diesem Familiendrama. Gesprochen wird auch da nicht gerade viel.