Freudenstadt · Wirtschaft

Abgelegene Häuser haben es sehr schwer

Die vom Lockdown gebeutelte Gastronomie hält sich mit Liefer-und Abholservice über Wasser. Nicht in jedem Freudenstädter Betrieb lohnt sich das.

24.11.2020

Von Monika Schwarz

Nicole Nowak Vom Imbisslokal „Schmaus“ gibt derzeit zwar weniger Einzelbestellungen aus. Die Kunden nehmen aber mehr aus einmal mit. Bilder: Monika Schwarz

Nicole Nowak Vom Imbisslokal „Schmaus“ gibt derzeit zwar weniger Einzelbestellungen aus. Die Kunden nehmen aber mehr aus einmal mit. Bilder: Monika Schwarz

Aus der Not heraus haben viele Freudenstädter Gastronomen ihre Betriebe schon während des ersten Lockdowns auf einen Abhol- und/oder Lieferservice umgestellt. Wer dafür allerdings extra einen Koch beschäftigen muss, für den lohnt sich das häufig nicht. Gut gehende Gasthäuser wie das „Waldgericht“ in Aach haben deshalb schon beim vorigen Lockdown auf den Abholservice verzichtet – wie jetzt auch. Vor allem abgelegene Häuser tun sich schwer mit der Alternative zum Normalbetrieb.

Die Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Beate Gaiser und Ehemann Armin Gaiser vom zentral gelegenen Hotel „Adler“ in Freudenstadt haben zumindest in dieser Hinsicht bessere Voraussetzungen. Armin Gaiser ist gelernter Koch und in dieser Funktion momentan trotz Lockdown sehr gefragt. „Wir waren mit dem Abholservice bereits beim ersten Lockdown sehr zufrieden und wir sind es auch jetzt“, sagt Beate Gaiser im Gespräch mit unserer Zeitung.

Weihnachtsgans ist der Renner

Damals hatten sich die Gaisers spät dazu entschlossen, diesen mit erhöhtem Aufwand verbundenen Service anzubieten. Immer wieder rufen während des Gesprächs im leeren Lokal Leute an, um eine Bestellung aufzugeben – für den gleichen Abend oder den Folgetag. Schon bevor Anfang November die Restaurants und Hotels wieder schließen mussten, hatten die ersten Gäste bereits Gerichte bestellt.

„Ich hab da zu meinem Mann gesagt, du kannst im Grunde gleich loslegen.“ Vier bis fünf wechselnde Gerichte gibt es seither von Freitag bis Sonntagmittag. Die Nachfrage ist unverändert hoch. Fast hundert Essen waren für Sonntag vorbestellt, berichtet Beate Gaiser zufrieden. Die Weihnachtsgans, das einzig konstante Gericht auf der Karte, habe sich als absoluter Renner erwiesen. Gaisers freuen sich über die große Solidarität ihrer Gäste und das immer wieder auch ausgesprochene Lob. „Das tut gut in dieser Zeit.“

Geschäftsleute dürfen essen

Anders als beim ersten Lockdown dürfen Gaisers dieses Mal die Geschäftsleute, die im Haus übernachten, bewirten. Das manche manches einfacher, sagt Beate Gaiser. Beim ersten Lockdown hatten sich die Geschäftsleute das Essen mangels Alternativen in Läden oder einem Imbiss besorgt. „Und uns ist dann halt der Müll geblieben.“

Müll ist ein Thema, das Gaisers derzeit noch in anderer Hinsicht beschäftigt. Das momentan wieder thematisierte Mehrweggeschirr für den Abholservice sei von der Grundidee her zwar gut, aber nicht einfach umsetzbar, sagt Beate Gaiser. Im „Adler“ sei Abholen ja nicht als Dauerlösung gedacht. Von daher brauche man das Mehrweggeschirr nach Wiedereröffnung des normalen Restaurantbetriebs nicht mehr. „Und was sollen wir dann damit machen?“

Ein benachbarter Gastronom habe bereits frühzeitig auf Mehrweggeschirr umgestellt und dafür ein kleines Pfand verlangt. Der habe die unschöne Erfahrung gemacht, dass das Geschirr trotzdem nicht zurückgegeben wurde und es zu großen Engpässen kam.

Gaisers erzählen, dass sie schon seit Jahren Wert darauf legten, Verpackungsmüll zu vermeiden und deshalb vieles umgestellt hätten. Leider sei es nach wie vor nicht erlaubt, eigenes Geschirr von zuhause mit zu bringen, was einige Abholende weder wissen noch verstehen.

Deutlich schwieriger als in ihrem Stadthotel sei die Situation derzeit in den abgelegenen Wellnesshotels, die überwiegend vom Tourismus und den Urlaubern leben und die deshalb den Betrieb komplett heruntergefahren haben. „Je weiter außerhalb die liegen, umso schwieriger wird es mit dem Abholservice“, sagt Beate Gaiser.

Die inzwischen wahrscheinliche Verlängerung des Lockdowns in den Dezember hinein sei insbesondere für diese Häuser eine Katastrophe. „Der Dezember ist einer der Hauptumsatzbringer.“ Sie ist sowieso überzeugt, dass die Infektionszahlen „keinen Deut anders“ wären, wenn man die Gastronomie dieses Mal verschont hätte, sagt Gaiser. „Wären wir die Verursacher, dann wären die Zahlen jetzt deutlich heruntergegangen“, meint die Gastronomin.

„Sündenbock der Nation“

In der Branche fühle sich manch einer zwischenzeitlich als „Sündenbock der Nation“. Die Wogen hätten sich nach den ersten Hilfszahlungen zwar etwas geglättet, inzwischen sei die Stimmung aber wieder am Boden. Bei den jetzt versprochenen Novemberhilfen sei bisher noch nicht einmal geklärt, wo man die beantragen könne, berichtet Beate Gaiser. „Das ist unsäglich.“ Wer diese Hilfen dringend braucht, der brauche sie jetzt und nicht irgendwann. Rechnungen und Kredite warteten ja nicht. Noch nicht einmal die GEMA-Gebühren würden ausgesetzt, obwohl viele ihre Häuser geschlossen hätten und den Service gar nicht nutzen können.

„Die Luft wird für manche gerade sehr dünn“, sagt Gaiser, bei der neben unzähligen Rückfragen auch sehr viel Frust der Kollegen landet. Manche hätten keine Reserven mehr.

Anders als im „Adler“ gab es im kleinen Imbisslokal „Schmaus“ in Freudenstadt schon seit jeher die Möglichkeit, Speisen mitzunehmen. Dieses Angebot wurde schon immer gern genutzt. Derzeit kämen zwar weniger Leute vorbei, weil man ja auch nicht bleiben könne, berichtet Mitarbeiterin Nicole Nowak. Wer abhole, nehme aber eher mehr mit als vor dem Lockdown, so ihr Eindruck. Trotzdem bekommt auch das „Schmaus“ den Lockdown deutlich zu spüren. „40 Prozent unseres Umsatzes machte das Catering aus und das gibt es derzeit nicht.“

Der Liefer- und Abholservice in der Erlacher Höhe Einrichtung „Windrad“ läuft mit etwa 15 Essen täglich auf Sparflamme. Erlacher Höhe-Chef Wolfgang Günther stellt fest, dass die Klientel, die das preisgünstige Angebot der Einrichtung in Anspruch nimmt, lieber selber kommt. „Die Leute hier sind einfach auch dankbar für die Begegnungen vor Ort“, sagt er.

Anders als die Hotels durfte die Erlacher Höhe das „Windrad“ geöffnet lassen – als soziale Einrichtung. Der Lieferservice ist ein Zusatzangebot, das im Mai startete und seither besteht. Wirklich wirtschaftlich betreiben könne man das in Anbetracht der sowieso schon geringen Preise für das Essen aber nicht, so Günther. An nachhaltigen Lösungen in diesem Bereich, sprich Mehrweggeschirr, arbeite die Einrichtung.

Beate Gaiser nahm auch während des Gesprächs mit unserer Berichterstatterin Bestellungen entgegen.

Beate Gaiser nahm auch während des Gesprächs mit unserer Berichterstatterin Bestellungen entgegen.

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Erstellt:
24.11.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 52sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2020, 01:00 Uhr

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