Tübingen

Abgrenzung zur Natur

Der Artenschutz erschwert die Erweiterungspläne der Tübinger Unikliniken und der Universität (Bericht und „Übrigens“ vom 26. April).

29.04.2017

Von Lena Schlegel, Tübingen

So rhetorisch reizvoll das Wortspiel mit dem Ziegenmelker erscheint, so wenig „skurril“ ist doch die Berücksichtigung artenschutzfach- und rechtlicher Überlegungen in Planungsprozessen. Zum „Mäusemelken“ ist vielmehr das „Othering“, wie das systematische Abgrenzen eines diskursiven Anderen soziologisch bezeichnet wird, von Artenschutz als Bedrohung der Exzellenzforschung.

Wissenschaft hat immer auch eine gesellschaftliche Relevanz zu erfüllen. Die Notwendigkeit massiven Wachstums kliniknaher Forschungseinrichtungen kann angesichts der Überschneidungen mit anderen gesellschaftlich relevanten Interessen, wie des Artenschutzes, der Lebensqualität und der Naherholung, kaum unhinterfragt hingenommen werden. So erschließt sich mir nicht, dass im digitalen Zeitalter geografische Nähe ausschlaggebend für transnationale Forschung ist. Auch stellt sich die Frage, inwiefern ein derart teleologisches Wachstumsparadigma heute noch tragbar ist.

Das Narrativ der Moderne konstruiert die menschliche Identität ausschließlich in Abgrenzung zur Natur. Dieses Othering erlaubt die diskursive Legitimierung anthropozentrischer Praktiken, die der Natur, der Biosphäre oder anderen Lebewesen weder einen intrinsischen Wert zuschreiben, noch ihre instrumentelle Bedeutung als Lebensgrundlage des Menschen anerkennen. So verwundert auch eine Rhetorik kaum, die von „Bedürfnissen“ des UKT und der Universität spricht, während der Artenschutz deren Entwicklung „blockiert“, „bedroht“ oder gar „aussaugt“.