RottenburgWendelsheim

Absurd

Im siebten Teil der Reihe über kleinere Tübinger Religionsgemeinschaften hat das TAGBLATT die Zeugen Jehovas beschrieben (3. Januar). Dazu gab es zwei Leserbriefe von Roland Fakler (5. und 11. Januar) und einen von Reinhardt Seibert (10. Januar).

19.01.2019

Von Dr. Stefan Schulze, RottenburgWendelsheim

Herr Fakler stellt in Bezug auf Zeugen Jehovas, die, wie Herr Seibert betont, in der Nazizeit verfolgt, in Konzentrationslager eingesperrt und als Kriegsdienstverweigerer hingerichtet wurden, die rhetorische Frage: „Tragen Gläubige, die sich nicht um irdische Regierungsformen scheren, nicht eine gewisse Mitschuld, wenn sie eines Tages unter einer Diktatur zu leiden haben?“ – Was für eine Verharmlosung! Geht es nur um „leiden“? Und überhaupt: Warum ist diese Frage auf Gläubige beschränkt? Sie muss doch auch für andere gelten, also für einen erheblichen Teil der damaligen deutschen Bevölkerung! Meinen Sie das, Herr Fakler? Dann schreiben Sie’s auch! Oder hat Ihr religionskritischer Eifer Ihren Blick verengt?

Zur Aufarbeitung Ihrer traumatischen Kindheitserlebnisse könnte es hilfreich sein, dass Sie Ihren Kinderglauben hinterfragen und sich anhand moderner Theologen über die Interpretation biblischer Texte informieren. Einen zweieinhalbtausend Jahre alten Text (etwa Hosea 14,1) wie einen modernen Text zu lesen, noch dazu losgelöst vom Zusammenhang sowie vom politischen und kulturellen Hintergrund, ist absurd. Und: Man muss sich vergewissern, wie stilistische Besonderheiten – etwa die Bildsprache – damals verstanden worden sind.

Noch eins: Antike biblische „Drohbotschaften“ finden sich in unserer säkularen Gesellschaft in modernisierter Form wieder: in Gesetzestexten, in denen festgehalten ist, welche Strafen für welche Gesetzesübertretungen drohen.

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Erstellt:
19.01.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 39sec
zuletzt aktualisiert: 19.01.2019, 01:00 Uhr

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