Schon seit ein paar Stunden herrscht reges Treiben auf den Flößerwasen. Dort vermischen sich verschiedenste Gerüche von Stockbrot und Spanferkel, in der Nähe des Alten Freibads dröhnt es von der aufgebauten Bühne. Die 22. Horber Ritterspiele sind in vollem Gange. Gut gefüllt sind auch die Straßen, auf denen die Händler ihre mittelalterlichen Waren anpreisen. Ein kleiner Junge begeister sich für ein Schwert, vorsichtig hält er es in beiden Händen. Die Klinge glänzt silbern in der Mittagssonne: „Wie viel kostet das?“, fragt er auf Englisch. Standbetreiber Thomas Havran kann sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. „Das ist leider eines der teuersten Stücke, die wir anbieten“, erklärt er dem jungen Mittelalter-Fan. Der ist sichtlich enttäuscht. Vielleicht ist ein Holzschwert am Stand gegenüber die vernünftigere Wahl.

Schwerter und Rüstungen

Die Ritterspiele in Horb

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Schon seit den letzten zehn Jahren ist Kasto Armorie mit einem Stand auf den Horber Ritterspielen vertreten. Im Gepäck haben die neun Mitarbeiter alles, was echte Rittersleut‘ begeistert: Schwerter, Dolche, Lanzen und sogar ganze Rüstungen. Alles selbst hergestellt – das hat seinen Preis. „Viele Kunden sind erstaunt, wenn sie dann die finalen Preise unserer Stücke hören.“ Für eine aufwendige Rüstung wie die, die Kasto Amorie zu den Ritterspielen nach Horb mitgebracht hat, braucht ein Schmied drei bis vier Monate zur Fertigstellung. Der Preis liegt bei 1500 Euro. Dass die heute noch einen Besitzer findet, kann Thomas Havran nicht ausschließen: „Manchmal kauft jemand spontan eine Rüstung. Aber echte Dauerbrenner gibt es bei uns ohnehin nicht. Mal werden wir an einem Tag mehr Dolche los , mal mehr Helme oder Schwerter“. Trotzdem bleibt der Stand in der Schillerstraße ein echter Publikumsmagnet und lockt zahlreiche gewandete Mittelalter-Anhänger an.

Ähnliches spielt sich am Stand von Antonio Oliveira ab. Die Töpferei ist sein Metier: Tassen, Krüge und Schüsseln bietet der fahrende Händler an. Wer möchte, kann ihm sogar dabei zusehen, wie er aus Ton und Lehm einen neuen Behälter formt, denn der Handwerker hat seine eigene Töpferscheibe mitgebracht. In einem Keramikmuseum hatte er ein ähnliches Gerät entdeckt und sich in den Kopf gesetzt, selbst so eine Scheibe zu bauen. „Die ist stockbetrieben und deswegen etwas langsamer, aber es ist die Nachbildung einer echten keltischen Scheibe“, erzählt Oliveira, der bereits zum vierten Mal einen Stand auf den Ritterspielen hat. Für ihn läuft es gut: Zahlreiche Besucher des Mittelalterfests bleiben stehen und begutachten die Waren, hin und wieder verkauft er ein Stück an einen vorbeiziehenden Gaukler oder Mönch.

Kreative Kostüme sind bei den 22. Horber Ritterspielen ohnehin zahlreich vertreten. Inspirationen für die Gewänder lassen sich an an diesem Wochenende an jeder Ecke von Horb feststellen. Manch einer hat gar den Hinkelstein auf dem Buckel, ein anderer weist frappierende Ähnlichkeit mit den Charakteren der beliebten Fantasy-Serie „Game of Thrones“ auf. Blöd nur, dass an diesem Wochenende in Horb herrliches Sommerwetter herrscht – und nicht wie in der Serie stets der ewige Winter naht. So ein Fellkragen kann da schon mal für den ein oder anderen Schweißausbruch sorgen.

Von Vorteil sind dann luftigere Gewänder, etwa das von Besucherin Larissa Merz. Ihr Gewand besteht aus ledernen Oberteil, das wenigstens die Arme frei lässt. An denen finden sich dafür zahlreiche Armreife und Accesoirs. Natürlich darf auch der Stab samt Hirschgeweih nicht fehlen. Als piktischer Druide ist Merz unterwegs. Ob die geistige Elite des schottischen Urvolks damals auch weibliche Mitglieder hatte, kann sie nicht mit Sicherheit sagen. Dafür ist ihr aber die Aufmerksamkeit bei den Ritterspielen sicher: „Man wird schon ab und zu angesprochen, auch wenn eigentlich alle anderen um einen herum auch solche Gewänder tragen“, berichtet Merz. Schon öfter sei sie in Horb bei den Ritterspielen dabei gewesen, die 22. Ausgabe falle aber wesentlich kleiner aus, findet die Besucherin. „Im letzten Jahr gab es, glaube ich, mehr Stände“, findet sie. Damit hat die Besucherin recht: Insgesamt gab es in diesem Jahr weniger Stände bei den Ritterspielen: „Die Betreiber zweier großer Stände mussten leider kurzfristig absagen, auch gab es krankheitsbedingt ein paar Ausfälle“, verriet Jürgen Wünsche, der Betreiber der MPS-Agentur, die die Ritterspiele jedes Jahr auf die Beine stellt. Zwar könne man auch noch mehr Stände nach Horb holen, jedoch würden die der Produktvielfalt der Ritterspiele nicht wirklich erweitern. Außerdem sei die Gefahr groß, dann eher mangelhafte Ware angeboten zu bekommen. Das täte der Authentizität der Veranstaltung nicht gut, die seit Jahren Historienfans begeistert.

Wen es etwa auf die andere Seite des Neckars verschlug, der hatte die Wahl: Beim Ritterturnier einer spannenden Geschichte beiwohnen, in der schwarze Ritter, Prinzessinen und Edelmänner um die Wette reiten, oder beim Bund oberschwäbischer Landsknechte das mittelalterliche Lagerleben kennen lernen. Deren Anzahl war in diesem Jahr auf 100 Männer und Frauen begrenzt, dafür hatte man aber mit dem Neckarufer die richtige Umgebung für die authentische Nachbildung der Landsknechte gefunden.

Mittelalter-Brot und Okkultes

Letztere lenkten mit dem verführerischen Duft von frischgebackenem Brot die Aufmerksamkeit einiger hungriger Gäste. Der Auslöser: der selbstgebaute Ofen von Timo Fischer. Die Idee für die Konstruktion sei ihm vor zwei Jahren beim Campen bekommen, erzählt das Mitglied des Heerlagers: „Wir merkten irgendwann, dass so eine Feuerstelle auch ihre Grenzen hat – da musste etwas besseres her.“ Herausgekommen ist ein Ofen, in dem sich kleine Brote und sogar Kuchen zubereiten lassen, alles innerhalb von 20 Minuten – sofern die Temperatur stimmt. So lässt es sich aushalten im Heerlager.

Unweit entfernt kann sich Tanja Müller kaum retten vor Besuchern. Denn wenn die Horber Ritterspiele vor der Tür stehen, wird sie zur Meisterin des Okkulten, liest aus Händen und legt Karten für bereitwillige Mittelalter-Fans. Im Alter von 15 oder 16 Jahren habe sie erstmals das Karten legen ausprobiert, das Studieren von mal mehr mal weniger seriöser Fachliteratur tat dann ihr Übriges. Seit 21 Jahren ist sie mit ihrem kleinen Zelt vor Ort und kann dehalb von so mancher Kuriosität berichten, die sie als Kartenlegerin während der Ritterspiele erlebt hat. Etwa von einem Besucher, der sie auf der Suche nach seinem Handy um Rat bat, oder eine Dame, die in wallenden Gewändern das Zelt stürmte und verkündete, ihr „geistiger Führer“ habe sie geschickt.

15000 Karten verkauft

Solche Späße sind es, die für viele Gäste die Horber Ritterspiele ausmachen. Von denen waren auch viele weit angereist. So etwa Mike und Sarah Anderson. Beide waren ursprünglich in Tübingen, um Verwandte zu besuchen. Tatsächlich verschlug es die beiden US-Amerikaner aber bereits zum zweiten Mal nach Horb zu den Ritterspielen. Sie schätzen vor allem die Kulisse der Stadt, die an den zwei Tagen die perfekte Stimmung liefert: „Zuhause haben wir so etwas nicht, deshalb sind die Ritterspiele in so einer alten Stadt für uns etwas richtig Besonderes“, so Mike Anderson. Beide hatten sich auch optisch angeglichen und ihre Mittelalter-Gewänder angezogen und Schwerter umgeschnallt.

Damit waren sie gewiss nicht allein. Laut den Veranstaltern konnte die Zahl der verkauften Tageskarten der Horber Ritterspiele die 15 000 vom letzten Jahr noch einmal um rund 15 Prozent überbieten. Martin Scherer vom Stadtmarketing erklärte, ihm seien vor allem deutlich mehr Gewandete
aufgefallen in diesem Jahr. Überhaupt habe sich der Veranstaltungsort „schon am frühen Samstag schnell gefüllt“, was immer eine Glückssache sei.

Als ausbaufähig bezeichneten die Veranstalter und die Organisation der Ritterspiele lediglich den Bereich der Dekoration. Die war in diesem Jahr erstmals ohne die Hilfe des im vergangenen Jahr aufgelösten Rittervereins von Horb geschehen. Trotzdem sind sich Jürgen Wünsche von der MPS-Agentur und Marketing-Chef Scherer einig: Wenn es nach ihnen geht, soll auch 2019 wieder eine Zeitreise ins Mittelalter in Horb stattfinden. Beide betonten jedoch, dass dieses Thema erst im Gemeinderat besprochen werden muss. Das soll frühestens nach den bevorstehenden Sommerferien geschehen.