So verführerisch hat uns die christliche Ethik schon lange keiner mehr aufgetischt.

Adams Äpfel

So verführerisch hat uns die christliche Ethik schon lange keiner mehr aufgetischt.

24.11.2015

Von che

Adams Äpfel

Es gibt keine schlechten Menschen?, ist die Devise von Pfarrer Iwan, der sich in seiner winzigen Kirchengemeinde in der tiefsten Provinz der Resozialisierung von Strafgefangenen widmet. Selbst pechschwarze Schafe ? Mörder, Triebtäter ? hat der gute Hirte mit dem standesgemäßen Öko-Krausbart angeblich in Windeseile auf den Pfad der Tugend zurückgeführt. Doch nun kommt Adam: ein unbelehrbarer Neonazi mit Hooligan-Manieren und Hitlerbild, der unter Iwans Fittichen schnell seine Bewährungsauflage herunterreißen möchte.

Des Pfarrers Mahnung zu Sanftmut beantwortet der Skinhead, indem er gleich mal dessen linke Wange massakriert. Auch mit den beiden anderen Zöglingen ? einem Vergewaltiger und einem arabischen Tankstellenräuber, die hinter Iwans Rücken munter ihre alten Vorlieben pflegen ? kommt es zum Krieg. Freilich muss der Nazi alsbald einsehen, dass in diesem als Kirchhof-Idylle verkleideten Psychopathen-Kabinett, in dem der wahnhaft die Wirklichkeit leugnende Gottesmann der Erste unter Gleichen ist, rohe Gewalt nichts bringt. Als einziger, an dem noch ein Rest an gesundem Menschenverstand haftet, stellt er sich schließlich seiner sozialen Verantwortung.

In seiner dritten Regie-Arbeit markiert das dänische Multitalent Anders Thomas Jensen („Flickering Lights?) zunächst den wildwütigen Rabauken, der lustvoll auf alles eindrischt, was sich ihm rechts und links in den Weg stellt: Theologen, Rassisten, Immigranten, Gut- und Schlechtmenschen, Gott und den Teufel, um nur die wichtigsten Opfer dieses satirischen Rundumschlags zu nennen.

Doch wie aus der Handlung ersichtlich, steckt unter der von pausenlosen Gemeinheiten und (buchstäblich) rabenschwarzen Pointen aufgerauten Schale ein hochmoralischer, um nicht zu sagen: gut christlicher Kern. Nur dass Jensen seine Botschaft nicht mit Nächstenliebe unters Volk bringt, sondern sich den Furor zu Herzen nimmt, mit dem einst Jesus die Händler aus dem Tempel jagte.