Musik

Adel präsentiert nobles Konzert

Vor 200 Jahren pflegten Adlige ihren Musikgeschmack, indem sie Musiker in ihr Schloss kommen ließen. In Horb bat das Bülow-Quartett ins Nordstetter Schloss.

09.01.2017

Von Hans-Michael Greiß

Das Bülow-Quartett gab am Dreikönigstag ein vielbeachtetes Konzert im Schloss in Nordstetten. Bild: Kuball

Das Bülow-Quartett gab am Dreikönigstag ein vielbeachtetes Konzert im Schloss in Nordstetten. Bild: Kuball

Seit nunmehr 13 Jahren hat sich der Dreikönigstag als fester Termin eingebürgert, an dem die drei Brüder Moritz, Johannes und Nikolaus von Bülow den Bürgersaal zur Konzertaula stilisieren, seit neun Jahren in unveränderter Besetzung mit Maximilian Lohse. Mitunter hatten sich einige Musikenthusiasten auf abenteuerlichen Wegen Karten beschafft, um dem Konzert des Bülow-Quartetts beiwohnen zu können, da die Nachfrage gut doppelt das Angebot übertraf.

Ob ihre exzellente Harmonie einer über 30 Jahre eingeübten Professionalität oder brüderlicher Vertrautheit entspringe, wusste das Trio nicht zu erklären, jedenfalls in der für den Zuhörer kaum wahrnehmbaren Kommunikation ihrer Augen verständigte sich das Quartett selbst bei schwierigsten Dissonanzen zum perfekten transparenten Zusammenspiel. Wirkten die beiden Violin-Interpreten mit ernsthafter Strenge und konzentrierter Spannung, bei Lohse kräuselte sich häufig die Stirn in Falten, so zeigte Johannes von Bülow mit seiner Viola eine gewisse Lässigkeit, ständig huschte ein souveränes Lächeln über seine Miene.

Das Adagio for Strings, 1938 komponiert, gilt als Samuel Barbers populärste Komposition. Im Jahr 2004 wurde es zum „traurigsten klassischen Stück“ gewählt. Vielen hat sich das Stück in die Erinnerung gebrannt, da es am ersten Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001 in New York erklang, als die Namen der Verstorbenen verlesen wurden. Auch als Filmmusik wurde es aufgrund seiner emotionalen Intensität mehrfach verwendet.

Pausenplausch mit den Musikern

Von der düsteren Schwere des Stückes ergriffen, tauschten die Besucher in der Pause ihre Gefühle über das Gehörte und ihre Bewunderung der meisterhaften Darbietungen aus. Der sichtbar stolze Vater, Dr. Sylvester von Bülow, wurde geradezu mit Glückwünschen überschüttet, seine eigene Musikalität seinen Söhnen vermittelt und sie zu solchen Leistungen auf höchstem Niveau befähigt zu haben.

Gänzlich entspannt mischte sich das Bülow-Quartett unter die Pausengäste und plauderte locker Familiengeschichten aus. Der dreijährige Sohn bereichere die Familiengespräche im Berner Haushalt von Johannes mit im Kindergarten aufgeschnappten Beiträgen in Schwyzerdütsch, erfuhren die aufmerksamen Zuhörer. Moritz wäre gerne vor 200 Jahren in Potsdam dabei gewesen, als das neue Werk wie damals üblich adhoc gespielt wurde. Erst bei den letzten Proben habe er gemerkt, welche Schwierigkeiten in diesem Stück steckten und welche Mühen es erfordere. Das Jahr 2017 bringt für Primarius Maximilian Lohse eine berufliche Veränderung. Er wechselt vom Theater Kiel an die Opera Vlaanderen in Antwerpen und Gent als erster Konzertmeister.

Seine Position an der ersten Geige sei keine noble Zurückhaltung der adligen Partner, erklärte Lohse, vielmehr sei die Rangfolge bei Wilhelm Busch eindeutig festgelegt worden, Max stehe vor Moritz, so bestimme sich die Besetzung der zweiten Geige. Außerdem habe Vicco von Bülow, alias Loriot, in „Pappa ante Portas“ das berühmte Zitat geprägt: „Mein Name ich Lohse, ich kaufe hier ein“, so gehöre er eindeutig zu dieser Familie.

In makelloser Darbietung stellte der zweite Teil des Abends eine Herausforderung an die Hörgewohnheiten der Besucher mit einem Werk des Impressionismus. Claude Debussy komponierte sein Opus 10 in g-Moll als sein einziges Streichquartett 1893 im Alter von 31 Jahren. Nach dem Empfinden mancher Kommentatoren „verbindet es mit Geschick die unterschiedlichsten Elemente, wie etwa die gregorianischen Kirchentöne, Zigeunermusik, javanesische Gamelanmusik, die Stile eines Massenet und Franck, ganz abgesehen von dem Einfluss der russischen Schule“. Durch diesen harmonischen Schwebezustand schillert das Quartett derart, dass ihm Hörer seit seiner Uraufführung 1893 immer wieder einen geradezu realitätsüberschreitenden Charakter zugesprochen haben, der der strengen Gattung des Streichquartetts nur selten zu eigen ist: der einer Halluzination.

Das Klanggewirr verstörte einige Zuhörer, und scheinbar überfordert versuchten sie, sich mit Husten und Räuspern aus der beklemmenden Konzentration zu befreien, dass ein leichter Störpegel entstand. Nach dem furiosen Schluss des ersten Satzes „Animé et très dècidé“ fiel es manchem schwer, nicht in stürmischen Applaus auszubrechen. Die Zugabe, Antonin Dvoraks Quartett XII in F-Dur, war nicht weniger anspruchsvoll als Debussys, doch gefälliger und verständlicher.

Zwei Konzerte im nächsten Jahr

Hausherrin Edith Barth, Ortsvorsteherin Nordstettens, dankte den Vieren, schließlich ist sie den Musikern sentimental verbunden, hat sie doch zwei Bülow-Ehen im Nordstetter Schloss geschlossen. Unter der aufmerksamen Beobachtung der SÜDWEST PRESSE vereinbarte sie sogleich den Konzerttermin des nächsten Jahres, den die vier Ausnahmemusiker zum spektakulären Abschied von Hildegard Ott präsentieren wollen. In unermüdlichem Engagement hat die Mitarbeiterin der Ortsverwaltung in den vergangenen Jahren die Termine abgestimmt, alle Vorbereitungen getroffen und eigenhändig die Dekoration arrangiert. Im nächsten Jahr wird sie in den Ruhestand treten.

Als besondere Würdigung dieses Wirkens und zur Feier des zehnjährigen Ensembles hat das Bülow-Quartett darum zwei Aufführungen zugesagt, am Samstag, 6. Januar 2018 und am Sonntag, 7. Januar 2018 werden demnach 200 Musikfreunde Gelegenheit haben, das kulturelle Highlight des Jahres zu erleben.