Aleppo aus erster Hand

Äygpten und Musik sind Schwerpunkte beim Arabischen Filmfestival in Tübingen

Am Freitag beginnt das Arabische Filmfestival in Tübingen. 85 Filme aus der unruhigen Region werden bis zum 15. Oktober gezeigt.

06.10.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Arabische Frühlings-Gefühle: Szene aus Hala Khalils Film „Nawara“. Bild: Verleih

Arabische Frühlings-Gefühle: Szene aus Hala Khalils Film „Nawara“. Bild: Verleih

Beim Arabischen Filmfest kommt man in diesem Jahr viel herum. Einerseits weil sich Filme aus 17 Ländern des arabischen Raums und angrenzenden muslimischen Gegenden auf dem Spielplan tummeln. Räumlich reicht das Spektrum von Mali bis in den Iran. Dazu kommt noch die Sektion „Arabische Welten“, die sich dem Leben von Migranten in westlichen Ländern widmet.

Zum anderen sind die drei Festivalkinos großzügig über Tübingen verteilt. Zentrum ist wie schon im Vorjahr der Kupferbau, womit die Veranstalter vom Verein Arabischer Studenten und Akademiker ihre Verbundenheit mit der Universität demonstrieren wollen. Drei Hörsäle werden dort bespielt. Daneben laufen durchgängig Filme im Kino Arsenal und am ersten Wochenende auch im Deutsch-amerikanischen Institut.

Schwerpunktland ist diesmal Ägypten, das einzige arabische Land mit einer kommerziellen Filmindustrie. Gezeigt werden aber nicht die dort vom Fließband purzelnden Romanzen, sondern Independent-Filme, die größtenteils die gescheiterte Revolution von 2011, deren Ursachen und Folgen, im Blickfeld haben.

Die Musik spielt oft eine Rolle

Als Gast kommt die Regisseurin Hala Khalil. Ihr Spielfilm „Nawara“ entwirft ein facettenreiches Mosaik der ägyptischen Gesellschaft vor und nach dem arabischen Frühling. Ebenfalls vor Ort ist der Regisseur Mahmood Soliman, dessen Doku „We Have Never Been Kids“ mit einer allein erziehenden Mutter im Fokus den Zerfall der sozialen und politischen Ordnung in den letzten Jahren des Mubarak-Regimes nachzeichnet.

Auch Syrien ist angesichts der chaotischen politischen Verhältnisse überraschend stark auf dem Spielplan vertreten. Von dort kommen vor allem Dokumentationen, die aus erster Hand das Leben unter Bürgerkriegs-Bedingungen zeigen. Zwei davon führen ins umkämpfte Aleppo. In „Houses Without Doors“ beobachtet Regisseur Avo Kaprealian vom Balkon der elterlichen Wohnung aus, wie der Krieg immer näher rückt. „Cherry Days“ begleitet eine Gruppe junger Leute, die einfach nur versuchen, den Tag zu überleben.

Auch über Palästina, die Heimat von Festivalleiter Adwan Taleb, erfährt man viel. Einer von fünf Beiträgen ist der Eröffnungsfilm „Ein Lied für Nour“ (am Freitag um 20 Uhr im Hörsaal 22 des Kupferbaus) über einen jungen Mann aus dem Gaza-Streifen, der als Sänger an der größten arabischen Casting-Show in Kairo teilnehmen will.

Überhaupt spielt die Musik diesmal in etlichen Filmen eine Hauptrolle. Die Doku „Raving Iran“ etwa porträtiert zwei Techno-DJs aus der Underground-Szene Teherans. „Musik steht in vielen islamischen Ländern für Veränderung und Hoffnung auf eine Zukunft in Frieden“, sagt Taleb. Neu auf der Länderliste ist das bislang extrem kinofeindliche Saudi-Arabien. In der romantischen Komödie „Barakah meets Barakah“ trotzt ein Liebespaar der rigiden Geschlechtertrennung im Wahhabiten-Staat.

Mit 85 langen und kurzen Filmen im Programm hat das Arabische Filmfestival mittlerweile beinahe die Dimension der Französischen Filmtage erreicht. Der Etat beträgt mit rund 15000 Euro allerdings weniger als ein Zwanzigstel.

Das funktioniert laut Adwan Taleb nur, weil die gesamte Arbeit ehrenamtlich geleistet wird. „Unsere finanzielle Lage ist aber weiterhin angespannt“, betont der Festivalleiter. Immerhin sorgt die seit zwei Jahren gewährte Regelförderung von 7500 Euro von Seiten der Stadt Tübingen für ein bisschen Stabilität.