Metzinger Outletcity

Prickelndes zum Jubiläum

Als das Modeunternehmen Hugo Boss vor 50 Jahren mit seinem Fabrikverkauf begonnen hat, war das eine Sache für Insider. Dass daraus ein Shopping-Eldorado mit Weltruf werden sollte, ahnte damals niemand. Wolfgang Bauer, Chef der 1997 gegründeten Outletcity, erinnert sich, wie Metzingen zum Global Player geworden ist.

20.12.2022

Von Thomas de Marco

Michelle Hunziker (rechts) und Frauke Ludowig stoßen auf die neue „Bollicine Champagner Bar“ in der Metzinger Outletcity an. Bild: Thomas Niedermüller

Michelle Hunziker (rechts) und Frauke Ludowig stoßen auf die neue „Bollicine Champagner Bar“ in der Metzinger Outletcity an. Bild: Thomas Niedermüller

Als das Jubiläumsjahr in Metzingen auf die Zielgerade eingebogen ist, gab es noch einmal ordentlich Sekt und Promi-Alarm: Michelle Hunziker und Frauke Ludowig eröffneten Ende Oktober in der Outletcity die „Bollicine Champagner Bar“ mit gut 150 geladenen Gästen. Darunter auch jede Menge Influencerinnen sowie Leonie Greiner („Loi“), die es vor fünf Jahren bei der Casting-Show „Voice Kids“ ins Finale geschafft hatte. Ein Ereignis, das sich Wolfgang Bauer, der Geschäftsführer (CEO) der Outletcity, bei deren Gründen vor 25 Jahren nicht hätte träumen lassen. Und vor 50 Jahren, als Hugo Boss mit seinem Outlet-Verkauf begonnen hatte, war an so eine Entwicklung in Metzingen noch viel weniger zu denken.

Als 1972 der Fabrikverkauf bei Hugo Boss begann, war das fast 20 Jahre lang vor allem eine Einkaufsoption für Insider: erst ein Verkauf fürs Personal, dann einen Tag in der Woche offen für andere Kundschaft, danach zwei und drei. Die Outletcity hat Bauer dann maßgeblich auf den Weg gebracht: Er war 1992 bei Hugo Boss ausgestiegen, kehrte dann aber zwei Jahre später nach dem Verkauf des Unternehmens zu den Holy-Familien zurück und war für deren Immobilien in Metzingen und den USA zuständig. „Ich bin viel gereist und habe mir Outlets angeschaut. Dann habe ich gesagt: ‚Wir müssen in Metzingen etwas machen, sonst sind wir außen vor.‘ Die Idee war, in den alten Fabrikanlagen ein Outlet-Village aufzubauen“, erinnert sich Bauer.

Damals entschieden sich die Verantwortlichen gegen den Trend, sich außerhalb der Stadt anzusiedeln. „Es war die bewusste Entscheidung, das mitten in der Stadt zu machen. Interessierte Firmen gab es bereits. Das hat die Holys überzeugt“, sagt Bauer. Begonnen hat alles 1997: Damals entstand neben Boss das erste Gebäude für Escada und Bally. „Bei beiden Firmen saß Uwe Holy im Aufsichtsrat. Gedacht war, dass die Männer bei Hugo Boss einkaufen und für die Frauen auch ein Angebot geschaffen wird“, sagt der Outletcity-Chef.

Das Zusammenspiel mit der Metzinger Industriegeschichte – drei der sieben noch stehenden großen Kamine gehören der Outletcity – ist ein nicht zu verachtender Faktor des Erfolgs. Denn die Industriezeugnisse beeindrucken die Kundschaft aus der ganzen Welt. „Wir hatten schon Anfragen aus China und anderen Teilen der Welt, ob wir nicht anderswo unsere Outletcity nachbauen wollen“, erklärt der Chef des Shopping-Eldorados. Das wollten die Verantwortlichen aber nicht: „Es gibt nur ein Metzingen. Wenn wir einen zweiten Standort machen, dann im Internet“, stellt Bauer klar.

Und er kann mit jeder Menge Anekdoten aufwarten, wenn er auf 25 Jahre Outletcity zurückblickt. Als 2001 der Neubau fürs Outlet von Hugo Boss entstand, musste es ein Klinkerbau sein, der an eine Fabrik erinnern sollte. „Sonst geht der Schwabe ja nicht davon aus, dass es da etwas Billiges gibt!“, sagt Bauer und schmunzelt.

Und als er dem Metzinger Gemeinderat vorschlug, die Outletcity 2005 über den Lindenplatz und die Hauptstraße hin zur Stadt zu öffnen, zog der Gemeinderat mit – trotz kritischer Stimmen in der Bevölkerung. Doch seine Vision, dass dort dann mal Leute in Straßencafés sitzen würden, nahm ihm damals niemand ab. „Der Schwabe sitzt nicht im Café, weil sonst der Nachbar meint, er schafft nichts, hieß es im Gemeinderat“, sagt er.

Doch die Skeptiker sollten sich gewaltig irren: Stand früher in Metzingen kein einziger Tisch oder Stuhl an der Straße, zieht sich heute eine Außengastronomie nach der anderen vom Lindenplatz die Reutlinger Straße entlang. Vor allem hat der neue Lindenplatz auch landesweit Aufsehen erregt und einen baden-württembergischen Preis bekommen. Entscheidend aber war, dass die Verbindung geschaffen wurde zwischen Fabrikareal und Innenstadt. Zuvor waren das fast komplett getrennte Bereiche für die Leute in Metzingen.

Wichtig war für Bauer immer, dass Stadt und Outletcity beide gemeinsam von der Entwicklung profitierten. Denn Anfang der 1990er-Jahre gab es durchaus auch Proteste vor dem Firmensitz wegen der Parksituation. Der Outlet-Macher beschloss deshalb, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, um weiterzukommen. „Denn wenn wir ein Mal das Vertrauen nicht gerechtfertigt hätten, wäre die Geschichte schnell am Ende gewesen und wir hätten nicht so viele Bauanträge durchgebracht“, sagt er.

Sein Ziel war schon immer gewesen, internationale Luxusmarken nach Metzingen zu holen. Das gelang 2008/09 mit der Eröffnung des Schwenkle-Areals. Doch da war erst einmal Ausdauer gefragt: „Manche Unternehmen mussten zehn Mal eingeladen werden, bis sie nach Metzingen kamen. Und dann waren sie aber gleich begeistert“, erinnert sich Bauer. Wie Prada, das hier mittlerweile sein größtes Outlet nördlich der Alpen hat.

Dadurch wurde internationaler Tourismus nach Metzingen gelockt: 2015 sind Gäste aus 185 Ländern der Welt registriert worden. „Damit stehen wir global auf mehreren Beinen“, sagt der Outlet-Geschäftsführer. Was in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie hilft. „Heute sind wir ein Top-Standort weltweit und in China so bekannt wie München oder Berlin.“

Tübingen und Reutlingen sind aber von der Outletcity wenig begeistert gewesen und wehrten sich gegen Expansionspläne. In einem langwierigen Raumordnungsverfahren wurde ein Kompromiss mit einer Flächenbegrenzung gefunden. Dabei wurde auch das 6,5 Hektar große Areal der früheren Tuchfabrik Gaenslen-&-Völter für die Erweiterung genehmigt. Dadurch wurde die Outletcity zum größten Outlet-Standort in ganz Europa. Hugo Boss hat hier sein weltweit größtes Outlet-Gebäude mit über 5000 Quadratmetern gebaut, derzeit entsteht noch ein Hotel.

Gleichzeitig geht die Outletcity zurück zu ihren Wurzeln: Für das ehemalige Fabrikgebäude von Hugo Boss ist unter anderem eine Museumsfläche zur Geschichte des Standorts geplant. Dort entstehen auch ein Veranstaltungsraum mit Platz für Kunst und Kultur, eine Außenterrasse sowie drei Verkaufsflächen. Das Gebäude, in dem die Geschichte der Marke Boss und die der Outletcity begann, soll in neuem Glanz erstrahlen. Die Eröffnung ist für das zweite Quartal 2023 vorgesehen.