Rollstuhl-Basketball

Am Anfang wie eine Therapie

Leon Schöneberg ist einer der besten Spieler Deutschlands. Und spielt seit dieser Saison beim RSKV Tübingen – in der Regionalliga.

26.11.2016

Von Tobias Zug

Zwei gegen Leon Schöneberg: Der Tübinger Center setzt zum Wurf an im Spiel gegen Bayreuth. Vereinsbild

Zwei gegen Leon Schöneberg: Der Tübinger Center setzt zum Wurf an im Spiel gegen Bayreuth. Vereinsbild

Als 14-Jähriger wurde er in die U22-Nationalmannschaft berufen. Und gewann 2012 in seinem ersten internationalen Turnier gleich die Europameisterschaft mit Deutschland. Mit 17 Jahren spielte er bei der U23-Weltmeisterschaft in der Türkei – und schaffte die Sensation, als er erstmals in der Geschichte der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft U 23-Weltmeister wurde. Bei Hannover United spielte er ein halbes Jahr in der Bundesliga.

Jetzt ist Leon Schöneberg 19 Jahre jung. Und spielt Rollstuhlbasketball in Tübingen. In der Regionalliga beim RSKV. „Am Anfang war es schwierig, dieses Niveau einzubüßen“, sagt Schöneberg, „aber ich bereue es nicht, hierher gekommen zu sein.“

Denn Schöneberg zog es hauptsächlich wegen des Studiums nach Tübingen. Er studiert dort seit April Humanmedizin. Im vergangenen Jahr hat er das Abitur gemacht in seiner Heimatstadt Heidelberg. „Ich wollte immer Medizin studieren“, sagt er, „und mir war klar, dass sich erste Liga und Medizinstudium nicht vereinbaren lassen.“ Tübingen als Studienort wählte Schöneberg auch wegen der Nähe zu Heidelberg, wo er mindestens ein Mal im Monat seine Eltern besucht. Zudem kennt er seinen RSKV-Teamkollegen Tobias Schreiner schon seit der U 19 in diversen Junioren-Nationalteams, gemeinsam wurden sie U22-Europameister. Mit dem ehemaligen RSKV-Spieler Philipp Schorp spielte Schöneberg in Hannover zusammen, der erzählte ihm auch nicht viel Schlechtes über Tübingen. Schöneberg sagt jedenfalls: „Ich liebe die Stadt, die alten Gassen – ich wünschte nur, ich hätte mehr Zeit. Das Studium nimmt einen schon sehr in Anspruch.“

Für den RSKV ist der Center ein Riesengewinn: „Ganz klar“, sagt Fachwart Eberhard Schreiner, der Vater von Tobias Schreiner.

Schöneberg entstammt einer Basketball-Familie, seine Schwester spielte Jugend-Bundesliga in Heidelberg. Schon mit fünf Jahren spielte Leon Schöneberg Basketball – „Fußgänger“-Basketball. Im Alter von sieben Jahren attestierten die Ärzte bei ihm die orthopädische Kinderkrankheit Morbus Perthes, bei der das Hüftgelenk nicht mehr gut mit Blut versorgt wird. Drei Jahre saß Schöneberg deshalb sogar im Rollstuhl. „Das Allerschlimmste war als Kind, als einem gesagt wurde, man könne nie mehr so rennen wie die anderen“, sagt Schöneberg. Der kleine Junge, der den Basketball so liebt, fing dann an, Rollstuhlbasketball zu spielen. „Das hat mir wieder Lebensfreude gegeben“, sagt Schöneberg, „das war am Anfang wie eine Therapie für mich.“

Mittlerweile läuft Schöneberg wieder normal. Etwas staksig vielleicht und „mittlere bis längere Strecken gehen auch nicht“. Im Rollstuhlbasketball wird er als Sportler mit „Minimalbehinderung“ geführt. Der zu den 18 besten Spielern in Deutschland zählt, bei der U22-Europameisterschaft in Spanien 2014, wo die Deutschen Zweiter wurden, als bester Spieler ausgezeichnet wurde. Schöneberg redet ungern über sich, warum er so gut sei. „Ich habe schon einen großen Ehrgeiz“, sagt er dann, „vieles passiert auch im Kopf.“

Dass er jetzt „nur“ Regionalliga spielt, bringt Schöneberg nicht aus dem seelischen Gleichgewicht. „Es ist ja immerhin die dritte Liga.“ Und alleine mit Schönebergs Anwesenheit werden die Spiele auch nicht automatisch gewonnen: Zwar ist der Center mit 109 Punkten in vier Spielen Topscorer der Liga. Aber die Tübinger gewannen davon gerade mal eine Partie. „Ich versuche, dem Team zu helfen“, sagt Schöneberg, „aber ich merke, dass ich wegen des Studiums nicht ausgeruht und ziemlich übermüdet bei den Spielen bin.“

Europa- und Weltmeisterschaften in diesem Jahr

Bis zum Physikum in eineinhalb Jahren wolle er mindestens in Tübingen bleiben, sagt Leon Schöneberg. „Danach kann ich mir gut vorstellen, wieder erste Bundesliga zu spielen.“ Nach seinem Abitur tat er das ein halbes Jahr in Hannover. Aber nicht zum Geldverdienen: „Vom Zeitaufwand ist Rollstuhlbasketball mit jedem anderen Leistungssport vergleichbar. Aber finanziell nicht.“ Bei der Wohnungsfinanzierung unterstützten ihn seine Eltern. Zudem machte er ein Pflegepraktikum in einem Krankenhaus, was für die Zulassung zum Medizinstudium notwendig war. Im Januar ist der 19-Jährige mit der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Italien, im Juli ist die Weltmeisterschaft in Kanada. Schöneberg bespricht derzeit mit der Universität und Laufbahn-Beraterin, wie er diese Turniere mit den Studienanforderungen vereinbaren kann. „Bislang habe ich noch keine Hilfestellungen bekommen“, sagt er, „das ist natürlich alles nicht ganz einfach.“