Kino

Am Ende ist noch lange nicht Schluss

Früher war nach dem Kuss Feierabend. Heute haben Filme immer längere Abspänne – und manche Regisseure nutzen das für Gags oder betreiben gleich Werbung für die Fortsetzung.

30.12.2017

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

Kinofilme endeten früher oft mit dem Ritt in den Sonnenuntergang. Heute wartet nach dem Sonnenaufgang gleich die nächste Fortsetzung. Foto: Shutterstock

Kinofilme endeten früher oft mit dem Ritt in den Sonnenuntergang. Heute wartet nach dem Sonnenaufgang gleich die nächste Fortsetzung. Foto: Shutterstock

Ulm. Ganz, ganz am Ende des neuesten „Spiderman“-Films, wenn der letzte Name des Abspanns verschwunden ist, die Leinwand schwarz werden und das Licht im Saal angehen sollte, da hält noch einmal Captain America seine Helden-Rübe ins Bild. Das Warten der Fans hat sich also gelohnt! Oder etwa nicht?

„Captain America“ hatte in dem Spinnenmann-Abenteuer schon zuvor in einigen Film-im-Films-Clips Gastauftritte: Darin gab er Schülern Trainings-Tipps. Nun richtet der Marvel-Superheld sein Wort an die ausharrenden Zuschauer im Kinosaal und erklärt ihnen eine der wichtigsten Tugenden: Geduld.

Manchmal sei Geduld der Schlüssel zum Sieg, sagt Captain America. Manchmal aber führe sie zu eher enttäuschenden Ergebnissen. Wie offensichtlich auch jetzt, denn es passiert: nichts mehr. Nur dass Captain America jemanden hinter der Kamera fragt, wie viele dieser Videos er denn noch aufnehmen müsse.

Lust auf mehr machen

Dieser Nachklapp nach dem Nachspann – von Cineasten PostCredit-Scene genannt – ist natürlich ein selbstreferenzieller Gag der Filmemacher. Denn bei der Comicfilm-Schmiede Marvel hat es sich eingebürgert, in die Abspänne bereits kurze Szenen aus ihren nächsten Filmen einzubauen, um den Zuschauern Lust auf mehr zu machen.

Am Ende ist heute nämlich lange nicht Schluss. Früher hörten Filme meist so auf: Die Schurken sind erledigt, der Held knutscht seine Herzensdame, dann reiten sie in den Sonnenuntergang – und dazu erscheint auf der Leinwand: „The End“.

Nun wird heute am Ende von Filmen nur noch selten in Sonnenuntergänge geritten, auch enden kaum noch Geschichten mit „Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“. Aber das ist nicht der Hauptunterschied.

Einst bestand der Nachspann von Kinofilmen bestenfalls aus ein paar Schrifttafeln mit den Namen der Hauptdarsteller. Erst in den 70er Jahren etablierten sich Abspänne, in denen detailliert Stab und Crew genannt wurden und dazu eine Suite der Filmmusik zu hören war, wie man es etwa vom triumphalen „Star Wars“-Finale kennt. Das hatte es davor nur in seltenen Fällen gegeben: Eine berühmte Ausnahme war der Kassenknüller „In 80 Tagen um die Welt“ (1956), in dem die Protagonisten des Films ihre Abenteuer noch einmal als Zeichentrickfiguren erlebten.

Mit „Superman“ ging 1978 die Zeit des Mega-Nachspanns los, mit acht Minuten war der für damalige Verhältnisse superlang. Tatsächlich dauern die „End Credits“ heute bei Blockbustern oft zehn Minuten.

Eine endlos scheinende Abfolge von Namen aber auch wirklich aller beteiligten Filmschaffenden rollt mittlerweile durchs Bild: vom dritten Assistenten des Kameramanns über die Catering-Firma bis zu der Armada an Trickspezialisten, die tatsächlich zu Hunderten an Event-Filmen mittüfteln. Im letzten „Herr der Ringe“-Epos „Die Rückkehr des König“ (2003) wird im Abspann sogar ein leibhaftiger „cockroach wrangler“ (Kakerlaken-Bändiger) aufgeführt.

Die Nennungen haben nicht zuletzt rechtliche und gewerkschaftliche Gründe. Aber es gibt auch Stars, die gern mit der Zahl ihrer persönlichen Assistenten protzen. Russell Crowe ließ bei „Master & Commander – Bis ans Ende der Welt“ (2003) eine 17-köpfige Entourage aufzählen.

In den späten 70ern Jahren begannen Filmemacher aber auch, Schabernack im und mit dem Abspann zu treiben. Monty Python erfand unsinnige Tätigkeiten wie Elch-Nasenputzer, während die Macher von „An American Werewolf in London“ (1981) Prinz Charles und Prinzessin Diana zur Hochzeit gratulierten. Die Jux-Spezialisten Zucker-Abraham-Zucker führten im Nachspann ihres Kassenschlagers „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ (1980) nicht nur die Kategorie „Best Boy“ (ein Beleuchter) auf, sondern listeten auch einen „Worst Boy“ auf – und zwar Adolf Hitler.

Besonders Komödienmacher setzen am Ende gern einen drauf und präsentieren zum Nachspann eine sogenannte Gag-Reel: eine Sammlung von Versprechern und Patzern – was besonders bei Animationsfilmen wie „Das große Krabbeln“(1998) oder „Toy Story?2“ (2000) ein liebenswerter Gag ist, weil es ein Eigenleben der Trick-Figuren vorgaukelt.

Besonders gern wird aber Eigenwerbung betrieben. Schließlich ist das Finale von Erfolgsfilmen heute niemals der Schluss der Geschichte. Denn eines steht immer fest: Fortsetzung folgt – so sicher wie auf Silvester Neujahr kommt. Die Internet-Seite insidekino.de listet für das Kinojahr 2018 bereits sage und schreibe 44 Fortsetzungen, Ableger und Neuauflagen auf (also Sequels, Spin-Offs und Reboots, wie es im Kinosprech heißt). Und ein Blockbuster, der was auf sich hält, hat im Abspann nichts Besseres zu tun, als schon Appetit auf den nächsten Teil zu machen.

James Bond kommt zurück

Bereits 1963 freuten sich am Ende von „Liebesgrüße aus Moskau“ die 007-Fans über die Zeile „James Bond will return“. Aber die Comic-Schmiede Marvel hat in den vergangenen zehn Jahren eine Kunst daraus gemacht, den Liebhabern von Iron Man, Thor, Hulk und den anderen Superhelden den Mund wässrig zu machen.

So war 2010 am Ende des Abspanns von „Iron Man 2“ zu sehen, wie Agenten einen gewaltigen Hammer fanden (der natürlich Thor gehörte). Mittlerweile bleiben die Fans geduldig bis zur allerletzten Sekunde sitzen, weil die Comicfilm-Macher in die End Credits ein, zwei Extra-Szenen einbauen, die zeigen, wie es im „Marvel Cinematic Universe“ weitergeht. Und genau darüber haben sie sich nun im jüngsten „Spiderman“-Film selbst lustig gemacht. Denn auch das Ende ist nicht mehr, was es mal war.

Jeff Goldblum hat einen lustigen Nachspann-Auftritt im aktuellen Marvel-Hit „Thor: Tag der Entscheidung“. Foto: Marvel/Disney

Jeff Goldblum hat einen lustigen Nachspann-Auftritt im aktuellen Marvel-Hit „Thor: Tag der Entscheidung“. Foto: Marvel/Disney

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Erstellt:
30.12.2017, 06:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 30.12.2017, 06:00 Uhr

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