Der Nussen-Herbst

Am vergangenen Wochenende haben sie zum Saisonabschluss noch einmal eine großartige Ernte an meinen

25.11.2015

Am vergangenen Wochenende haben sie zum Saisonabschluss noch einmal eine großartige Ernte an meinen Walking-Pfad geworfen. Als wollten die Nussbäume in guter Erinnerung bleiben bis zum nächsten Jahr, bevor sie sich in die Winterruhe begeben: Dick, hellbraun und glänzend lagen die Walnüsse da, wie von einem Food-Designer zum Stillleben hingebettet auf weiß gefrosteten, schon kältestarren Blättern.

Dutzende Nüsse wölbten bald die Taschen meines Jogging-Outfits nach außen, das davon etwas Känguruh-Artiges bekam. Sportlich zu laufen war mit dem Ballast kaum noch möglich. Aber wer kann solchen Geschenken der Natur widerstehen? Keine Sorge, für die Eichhörnchen blieb noch genug.

So einen Nussen-Herbst wie heuer gibt es nicht alle Jahre. (Nussen, das sei hier erlaubt, ist der schwäbische Plural von Nuss.) Von September bis jetzt ließen die Bäume ihre üppige Fracht in stetiger Dosierung auf Wiesen, Feldwege und Bürgersteige pratzeln. Kaum Luschen dabei! Was mit dem Schimpfwort „taube Nuss“ gemeint ist, kann man den Kindern diesmal nicht erklären.

Und wenn die Nüsse etwa schon von anderen Passanten oder von Tieren aufgesammelt waren, dann lagen dafür mitunter Quitten am Wegrand im Gras, leuchtend gelb, ganz ohne braune Faulstellen, und verströmten mit ihrer Duft-Aura ein Versprechen: „Nimm mich mit! Ich werde mich in rosafarbenes Gelee verwandeln und in zimtiges Quittenbrot!“ Was sie dann auch artig taten.

Nüsse und Quitten, diese wunderbaren Herbst-Produkte, machen Garten- und Gütles-Besitzern nicht immer nur reine Freude. Eine reiche Quittenernte einzubringen und zu verarbeiten geht in die Knochen, und in den üppigen Jahren tut man sich sogar mit dem Verschenken schwer. Nussbaum-Eigner klagen manchmal über das mühsame Herunterschütteln und Auflesen, das Waschen, das Bürsten, das Trocknen und Verteilen der Nüsse.

Wie viel Vergnügen bereiten dagegen öffentliche Nussbäume, an deren Freigiebigkeit sich jeder Vorbeikommende einfach bedienen kann. Meine persönlichen Tübinger Lieblinge stehen am Fuß des Österbergs nahe dem Zusammenfluss von Ammer und Goldersbach in Lustnau und vor dem Oberschulamt in der Keplerstraße. Die Nüsse teilt der Sammler-Mensch sich nicht nur mit Eichhörnchen, sondern auch mit Krähen, die auf dem Asphalt in der Umgebung gleich kunstreich vorführen, wie sie die harten Dinger knacken und vertilgen: Im Flug aus großer Höhe fallen lassen, dann Sturzflug auf die Straße und die Nuss aus der aufgeplatzten Schale picken.

Aus herbstlichem Anlass deshalb eine Bitte an die Tübinger Stadtverwaltung: Pflanzt mehr Nussbäume (und die eine oder andere Quitte) im öffentlichen Raum! Ich jedenfalls wäre gern bereit, einen zu sponsern, für die Spaziergänger künftiger Generationen. Denn bis die Bäume Nüsse produzieren, kann es leider zwei Jahrzehnte dauern. Ulrike Pfeil

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Erstellt:
25.11.2015, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 21sec
zuletzt aktualisiert: 25.11.2015, 01:00 Uhr

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