Beeindruckend klare, zwischen Häme und Hoffnung geschickt austarierte Familiensatire.

American Beauty

Beeindruckend klare, zwischen Häme und Hoffnung geschickt austarierte Familiensatire.

24.11.2015

Von che

American Beauty

Als Bill Clinton ins Weiße Haus einzog, schien auch Hollywood von Aufbruchstimmung erfasst. Eine Reihe sozial engagierter, die Gesellschaft energisch sich vorknöpfender Filme („Glengary Glen Ross?, „Bob Roberts?) machten bereits als Clinton-Kino die Runde. Doch der Schein trog. In dem Maße, wie der Präsident vom Hoffnungsträger zum Sex-Clown mutierte, versank Hollywood im Phlegma von Action, Plüsch und Comedy. Da freut man sich schon, wenn jetzt ein Film als heißer Oscar-Kandidat gehandelt wird, der einen kritischen Blick hinter die Fassade der pittoresken amerikanischen Vorstadthäuschen wagt. Dorthin, wo sich seelisches Leid und sexuelle Frustration bis dicht unter die Kinnlade angestaut haben.

Ironischerweise kann man sich Lester Burnham (Kevin Spacey), den Helden des Dramas, gut als überzeugten Clinton-Fan vorstellen. Er ist nicht, wie sein Nachbar, ein krankhaft homophober Waffenfetischist, dem man die Pest an den Hals wünscht. Nein: Lester zählt zur aufgeklärten Mittelschicht, raucht bei Gelegenheit einen Joint und erzieht seine Tochter im Geist der Toleranz, sprich: völliger Gleichgültigkeit. Über die Jahre ist Lester jedoch zu einem Bilderbuch-Loser verkommen. Höhepunkt seines armseligen Lebens ist die morgendliche Selbstbefriedigung unter der Dusche. Der letzte Sex mit seiner auf Karriere fixierten Frau (im Bild: Annette Bening) liegt schon Jahre zurück.

War vor zwei Jahren „Der Eissturm?, als dessen Fortsetzung man „American Beauty? betrachten kann, von der Trauer um verlorene Ideale (der 68er) beseelt, so beobachtet der britische Regisseur Sam Mendes seine amerikanische Musterfamilie zunächst fast teilnahmslos wie unter einer Käseglocke. Die tragische Geschichte wiederholt sich als Farce, und Mendes tischt uns Lesters fortlaufendes Versagen als kabarettistische Ablachnummern auf. Erfolgsdruck und Karrieresucht, so der Tenor, lassen dich irgendwann zwangsläufig als peinlichen Vorstadt-Gartenzwerg enden. Doch wie das im Kino so ist: Irgendwann darf auch der garstigste Loser unseres Mitleids sicher sein, besonders dann, wenn er tapfer gegen sein Schicksal aufbegehrt.

Und Lester begehrt: Wie einst Bill Clinton lässt er sich von blutjungem Fleisch den Kopf verdrehen, und urplötzlich regnen rote Rosen in den mausgrauen Alltag des schlabberbäuchigen Mittvierzigers. Die Folge: Lester dürstet nach der wilden Seite des Lebens. Er kündigt seinen gut dotierten Job, verdingt sich als Hamburger-Brater, rebelliert gegen den Ordnungsfimmel seiner Frau, raucht Hasch am hellichten Tag und stemmt dazu Hanteln in der Garage. Es ist nicht so, dass uns der Regisseur die Wandlung des in der Vorstadthölle schmorenden Versagers zum Kindskopf als der Emanzipation letzten Schluss verkaufen möchte. Aber doch immerhin als einen Anfang und Hoffnungsschimmer.

In dem Maße, wie er einen Gegenentwurf zum blutleeren Zombie-Dasein propagiert, verliert der Film allerdings beträchtlich an analytischer Schärfe. Die Utopie, für die Mendes ein beeindruckendes Bild schlichter Schönheit gefunden hat, ist ihm wichtiger als der ungnädige Vorstoß in den seelischen Abgrund seines Helden. Weswegen man „American Beauty? mit nicht allzu vielen Aufschlüssen über die amerikanische Gesellschaft verlässt. Wohl aber mit einer großen Portion Hoffnung, dass sie sich irgendwann zum Besseren wandelt.