Solider Gruselkrimi, dem Franka Potente als naive Schnuckelstudentin den letzten Schliff gibt.

Anatomie

Solider Gruselkrimi, dem Franka Potente als naive Schnuckelstudentin den letzten Schliff gibt.

24.11.2015

Von che

Anatomie

Was für eine Karriere! Vor noch nicht einmal einem Jahr schaffte es Stefan Ruzowitzkys kunst- und stilvoller Heimatfilm "Die Siebtelbauern" in einige wenige Programmkinos der Republik. Und jetzt hat der österreichische Regisseur einen - mit seinen eigenen Worten - "Popcorn-Multiplex-Film" abgeliefert, der vom mächtigen Columbia-Verleih mit 400 Kopien auf die ganz großen Leinwände gepuscht wird.

Die seriöse Kritik hat dem Ruzowitzky diese Kehrtwende mächtig übel genommen. Man mag es in Deutschland halt nicht, wenn sich ein ausgewiesener Autorenfilmer in den Niederungen der populären Genres suhlt, zumal so schmuddeligen wie dem Horrorfilm. Dabei hat der arme Mann wirklich nicht mehr verbrochen als Hitchcock sein ganzes Leben lang: Uns Zuschauern ein bisschen den Angstschweiß aus den Poren zu kitzeln

Die Idee ist schon mal ganz gut: Ein Gruselkrimi im Studentenmilieu vor der Kulisse eines neon-grauen, mit schwammigen Leichen bestückten Anatomie-Saals - das hat Potenzial. Auch bei der Umsetzung entwickelt Ruzowitzky Phantasie. Liebevoll ironisch bedient er gängige Klischees vom romantischen Heidelberg, schmierigen Profs und seelenloser Schlachtplatten-Medizin.

Das Trumpf-As des Films ist aber ganz klar Franka Potente. Sie spielt eine superehrgeizige, naive Studentengöre. Als einer der Leichenschnipfler-Cracks der Nation darf sie zum Elitetreff nach Heidelberg und kommt dort den grausligen Experimenten einer Geheimloge auf die Schliche kommt.

Noch faszinierender ist freilich, wie sie die Bürde der heutigen Studentengeneration - unstillbarer Erfolgshunger, der jede menschliche Leidenschaft im Keim erstickt - ganz allein auf ihren schmächtigen Schultern trägt und dabei trotzdem das sympathische Schnuckelchen aus "Lola rennt" bleibt. So viel Charme tröstet uns leicht darüber hinweg, dass der Film zum Ende hin seine sorgsam konstruierte Atmosphäre zunehmend dem schrillen Knalleffekt opfert.

Dass die "taz" Regisseur Ruzowitzky das Abkupfern "reaktionärer amerikanischer Schockerklischees" unterstellt, ist aber eindeutig zu schweres Geschütz. Bloß weil man sich jetzt auch in einem deutschen Film ein bisschen erschrecken darf.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 59sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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