Wir sind die grauen Eminenzen

Anja Hansen-Schmidt übersetzte eine Hälfte des heute erscheinenden Harry Potter-Stücks

Verraten durfte sie nichts. Mit ihrem Co-Übersetzer Klaus Fritz kommunizierte sie sogar verschlüsselt Aber da der Band jetzt in den Verkauf geht, ist sie ihrer Schweigepflicht entbunden. Und ins Detail geht sie sowieso nicht, erzählt nur, was sowieso schon kursiert in den Medien, also:

24.09.2016

Von Peter Ertle

Hier, am Palace Theater London, läuft auf unabsehbare Zeit „Harry Potter and the Cursed Child“.Bild: Linda Metz

Hier, am Palace Theater London, läuft auf unabsehbare Zeit „Harry Potter and the Cursed Child“.Bild: Linda Metz

Tübingen. Im neuen Harry Potter-Band „Das verwunschene Kind“, seit heute auf dem deutschen Markt, erfährt der Leser, wie sich Harry, Hermine und Ron so weiterentwickelt haben. Harrys Sohn und sein mittleres Kind, das die typischen Sandwichkindprobleme hat, stehen im Mittelpunkt. Und Harry als Vater ist keineswegs perfekt, zeigt sich durchaus auch „als autoritärer Arsch“.

Im Gegensatz zu den bisherigen Potter-Bänden ist der neue, letzte Band ein Theaterstück. Und das sei klasse, sagt Anja Hansen-Schmidt. Sie muss es wissen, nicht nur weil sie es übersetzt hat. Die beiden Übersetzer haben es sich auch angeschaut, in London, wo es im Juli Premiere hatte und auf lange hinaus ausverkauft ist. „Ohne das Theaterstück gesehen zu haben, hätte ich es nicht so gut übersetzen können“, sagt sie rückblickend.

Bisher hat sie nur Prosa übersetzt, ein Theaterstück zu übersetzen, fand sie nun vergleichsweise leicht, lange Beschreibungen, Schilderungen innerer Gemütszustände fehlen dort ja.

Was aber vor allem half, war die Zusammenarbeit mit Kollege Klaus Fritz. Erstens weil er als langjähriger Potter-Übersetzer der Mann vom Fach ist. Zweitens weil sie seit vielen Jahren befreundet sind, schon andere Bücher gemeinsam übersetzt haben und „wir uns auch in der Vergangenheit immer wieder mal angerufen und um Rat gefragt haben“.

Dass sie diesmal mit im Potter-Übersetzerboot ist, hängt mit der Stoffmenge und dem Zeitdruck zusammen. Wobei die reine Textmenge gar nicht so ins Gewicht fiel – bei einem Stück ist das ja deutlich weniger als bei Prosa. Aber die Zeit ist branchenüblich knapp. Knapp zwei Wochen hat sie für ihren Part gebraucht, den Stress hat sie eher vorher gehabt, weil sie andere Arbeiten vorziehen musste, um sich den Freiraum zu schaffen. Und dann gilt: Augen zu und durch. „Aber ich mache das wahnsinnig gerne.“

Am Ende haben sie beide Teile miteinander abgeglichen und dazwischen sowieso immer kommuniziert. Damit der Sound der Personen auch einheitlich klingt. Genau, der Sound: Wie übersetzt man nun den betont umgangssprachlichen Duktus des Wildhüters oder den flapsigen Ton, den Ron auch als Erwachsener beibehalten hat?

Man kann schon den ein oder anderen Sprachmarker setzen, sagt sie, aber tatsächlich sei das nicht so einfach, man könne zum Beispiel nicht einen deutschen Dialekt als Pendant zur Umgangssprache nehmen, das wäre zu regional und bringe unerwünschte Konnotationen. Ganz gundsätzlich gebe es immer Stellen, die wären nicht eins zu eins übersetzbar. „Wer es ganz authentisch haben will, der muss eben das Original lesen.“

„Wir sind die grauen Eminenzen im Hintergrund“, sagt sie über ihre Branche, in Buchrezensionen würden Übersetzer selten erwähnt und wenn, dann hieße es eher mal „liest sich gut, was auch an der guten Übersetzung von XY liegt.“ Oder der Kritiker picke sich eine Stelle heraus, die er nicht so gut fände, um seine eigenen Sprachkenntnisse zu demonstrieren. Aber es klingt kein bisschen vorwurfsvoll, wenn sie so etwas sagt. Und sie räumt auch gleich ein, dass der Übersetzer hierzulande in den letzten Jahren stärker in der Focus gerückt sei.

Das Terrain der freien Übersetzerin, die ihren Auftrag über das Tübinger Büro Mihr bekam, ist seit Jahren das Kinder- und Jugendbuch. Als Mutter dreier Söhne im Alter von 8, 11 und 13 hat die 46-Jährige Probeleser im Haus. Aber nicht alle von der Mutter übersetzten Bücher finden dort Anklang. „Die ‚Warrior Cats‘ finden sie zum Beispiel total bescheuert“, lacht sie – sie kann damit leben. Und dann erzählt sie, dass in all den Jahren noch kein Journalist sie interviewen wollte, sie sei da auch gar nicht scharf drauf. Aber jetzt – jetzt hätten plötzlich mehrere Medien Interesse angemeldet. Tja. Harry Potter ist ein Zauberkünstler.

Hier, am Palace Theater London, läuft auf unabsehbare Zeit „Harry Potter and the Cursed Child“.Bild: Linda Metz

Hier, am Palace Theater London, läuft auf unabsehbare Zeit „Harry Potter and the Cursed Child“.Bild: Linda Metz

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Erstellt:
24.09.2016, 00:01 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 24.09.2016, 00:01 Uhr

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