Architektur

Arbeiten zur Kirchturmsanierung in Eutingen haben begonnen

Die Renovierungsarbeiten sind gleichzeitig eine interessante Geschichtsstunde über zurückliegende Jahrhunderte.

16.07.2018

Von NC

Eingerüsteter Kirchturm Privatbilder

Eingerüsteter Kirchturm Privatbilder

Planmäßig angelaufen ist die Renovierung des Kirchturms. Das Gerüst mit Materialaufzug ist auf der Südseite des Turms angebracht. Ein Großteil der Renovierungsmaßnahmen findet im Inneren des Turms statt, weshalb von außen nicht viel zu sehen und auch kein weiteres Gerüst notwendig ist.

Wer aber derzeit am Turm vorbei geht, kann die kräftigen Hammerschläge der Zimmerleute der Firma Holzbau Ott, Gammertingen, aus dem obersten Stockwerk hören. Wie Architekt Timo Raible berichtet, wurde zuerst das schadhafte Zifferblatt der Turmuhr abgenommen; die dahinter verborgene Schießscharte ist nun für kurze Zeit sichtbar. Die Zeiger der übrigen drei Uhren stehen auf „zwölf“, weil auch das Zeigertreibwerk und die Antriebswellen der Uhrzeiger für alle vier Uhren von den Turmuhrspezialisten der Fa. Perrot aus Calw erneuert werden. Berichte über die einzelnen Abschnitte der Baumaßnahmen sollen die Eutinger hier auf dem Laufenden halten.

Begonnen wurde mit dem obersten Geschoss direkt unter dem Dach des Turms, in welchem sich auch einst die Wachstube des Turmwächters befand. Die Mauerlatten aus Eichenholz für die Balkenlage über dem Glockengeschoss müssen erneuert werden. Einige Balken wurden bereits ersetzt oder repariert. Die dendrochronologischen Untersuchungen, mit denen man das Alter und das Fälldatum einzelner Bäume bestimmt, haben ergeben, dass viele Hölzer im Turm aus den Jahren 1450/51 stammen. Aus Geschichtsquellen ist bekannt, dass Eutingen während der Verpfändung der Grafschaft Hohenberg an die Reichsstädte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts „Utingen, das Dorf, ganz verbrannt wurde“.

Heute noch sichtbare Brandspuren im Gebälk des Turms sowohl in den unteren als auch in den oberen Geschossen lassen neben anderen Befunden den Schluss zu, dass bei diesem Brand während des Städtekriegs wesentliche Teile der inneren Bauwerke und das Dach des Kirchturms durch einen Brand zerstört wurden, und der Wiederaufbau im Jahr 1450 begann. Ein Deckenbalkenkopf in der 3. Ebene überstand den Brand; er wurde in das Jahr 1260 datiert. Die Ursache für die Zersplitterrung eines Balkens ist wohl ein Blitz, der durch das Dach in den Boden des obersten Geschosses einschlug.

Ein interessantes Fundstück lagert auf dem Dachboden des Turms. Es ist eine 3,20 Meter lange und über 30 Zentimeter starke Welle aus Nadelholz mit eingelassenen Aussparungen für die Wellhölzer und sichtbaren Spuren eines Seilzugs. Dieses spätmittelalterliche „Wellholz“ als Teil einer Aufzugsanlage diente einst dem Materialaufzug beim Innenausbau. Mit einem solchen Aufzug wurden sicherlich auch die ersten Glocken in den Turm aufgezogen.

Die Mitarbeiter der Firma Ott werden nach und nach die Holzkonstruktionen aller Stockwerke auf ihre Standsicherheit überprüfen und wo es notwendig ist, Balken, Dielen, Treppen und Geländer instandsetzen. Dabei soll die Reparatur der Teile im Vordergrund stehen, damit möglichst viel der alten Bausubstanz erhalten bleibt.

Über den Fortgang der Renovierung wird sich demnächst auch der Gebietsreferent der Denkmalbehörde auf der Baustelle informieren und die denkmalpflegerischen Belange mit dem Architekten Raible und
den Handwerkern der Firma Ott erörtern.

Balken vom Blitzeinschlag zersplittert

Balken vom Blitzeinschlag zersplittert

Neue und renovierte Balken auf neuer Mauerlatte

Neue und renovierte Balken auf neuer Mauerlatte

Aufzugswelle im Dachgeschoss

Aufzugswelle im Dachgeschoss

Frühe Brandspuren im Gebälk

Frühe Brandspuren im Gebälk

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Erstellt:
16.07.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 30sec
zuletzt aktualisiert: 16.07.2018, 01:00 Uhr

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