Forstwirtschaft

Leitartikel: Armer Wald

Gegenwärtig lassen sich immer mehr Deutsche davon überzeugen, dass Bäume ein geheimes Leben haben. Politiker, von denen man das nicht unbedingt erwartet hatte, umschlingen Baumstämme und andere dringen aus ökologischen Gründen darauf, immer mehr mit Holz zu bauen, Holz statt fossiler Brennstoffe zur Energiegewinnung einzusetzen und außerdem soll die Öko-Leistung des Waldes honoriert werden.

05.08.2021

Von ANDRé BOCHOW

Berlin. Dagegen steht die Angst vor dem neuen Waldsterben. In zehn Jahren, so der gerade zum Waldgipfel aufrufende Peter Wohlleben, ist die Hälfte der Bäume hierzulande weg. Wegen des Klimawandels, wegen der Forstwirtschaft, beziehungsweise wegen der Forstwirtschaft, die den Klimawandel im wahrsten Sinne des Wortes befeuert. Was wäre also zu tun? Gar nichts, sagt der bekannteste Förster des Landes. Der Wald hilft sich selbst.

Ob das klappt, ist aus den Erkenntnissen der Vergangenheit nur schwer herauszufiltern. Richtige Urwälder hat es nicht einmal zu Zeiten des Tacitus gegeben, der den Mythos vom germanischen Wald geprägt hat. Aufgegriffen haben ihn die Romantiker. Zu einem Zeitpunkt, an dem es – dem nun deutschen Wald – keineswegs glänzend ging. Wer denkt, hierzulande hätte man früher den Wald vor Bäumen nicht gesehen, irrt. Seit 1400 ist auf etwa einem Drittel der Fläche Wald zu finden. Mit leicht steigender Tendenz übrigens. Einen kleineren Aufschwung gab es nach dem Dreißigjährigen Krieg. Weniger Menschen, geringerer Holzverbrauch.

Geblieben ist der Sehnsuchtsort Wald, der aber seit Jahrhunderten Nutzwald ist und sich in Agrar- und Industrielandschaften einfügt. Mit dem sauren Regen zeigte ebendiese Industrie, was sie an Entwaldung zu leisten imstande ist, und der Mensch bewies, dass er notfalls etwas gegen Naturzerstörung unternehmen kann. „Le Waldsterben“, wie die Franzosen sagen, hat der Wald überlebt. Überlebt er auch den weltweiten Temperaturanstieg?

Dabei werden die Ansprüche an den Wald immer größer. „Wälder sollen naturnah sein – und produktiv. Ihre Bewirtschaftung soll nutzbringend sein – und umweltgerecht. Und Wälder sollen gerüstet sein für den Klimawandel.“ So fasst es das Eberswalder Thünen Institut für Waldökosysteme zusammen. Fakt ist, wenn wir uns nicht darauf beschränken wollen, im Wald Pilze zu sammeln, sondern auch noch Holzmöbel, Holzspielzeug, Holzbaumaterial, Kaminholz und Holz für Heizöfen möchten, wird die Idee vom sich selbst überlassenen Urwald nicht genügend Anhänger finden. Zumal es nach Aussagen des Thünen-Institutes keineswegs klar ist, ob die CO-Bilanz besser wird, wenn das Holz im Wald bleibt, statt damit Öl und Gas zu ersetzen. Hinzu kommt hierzulande die unübersichtliche Struktur des Waldbesitzes. Vor alleinseligmachenden Wahrheiten, ist in jedem Fall zu warnen. Deswegen sind Waldgipfel nützlich. Oder besser: Könnten es sein. Wenn Politik, Waldbesitzer und Wissenschaftler ergebnisoffen diskutieren. Wissenschaftler aller Glaubens-, respektive Meinungsrichtungen selbstverständlich.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
05.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 12sec
zuletzt aktualisiert: 05.08.2021, 06:00 Uhr

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