Ein Fremdenführer und eine junge Russin driften auf einer Schatzsuche quer durch die Schweiz.

Au large de Bad Ragaz

Ein Fremdenführer und eine junge Russin driften auf einer Schatzsuche quer durch die Schweiz.

24.11.2015

Au large de Bad Ragaz

„Der einzige Weg, Township-Life zu lernen, ist Township-Life zu leben?, bekommt Sox vor den Latz geknallt. Gerade hat der aufstrebende schwarze Schauspieler jämmerlich versagt, als er bei einem Casting für eine Fernsehserie einen richtig harten Ghetto-Burschen mimen sollte. Also macht sich der verweichlichte Schicki zwecks Feldforschung aus seiner besten Wohnlage auf den Weg ins verruchte Soweto, wo ihn nach etlichen Demütigungen endlich ein bulliger Gang-Leader unter seine Fittiche nimmt. Doch die Lehrstunde läuft aus dem Ruder, und bald steckt Sox bis zum Hals in kriminellen Kalamitäten.

Die „Hijack Stories? des deutsch-südafrikanischen Regisseurs und Filmtage-Gasts Oliver Schmitz gehen auf eine wahre Begebenheit zurück. Ein befreundeter schwarzer Regisseur, der in Soweto einen Film drehen wollte, sei dort zu seiner großen Verblüffung ausgeraubt und als „Coconut? (außen schwarz, innen weiß) beschimpft worden. Die Episode wiederum spiegelt die wachsende Kluft innerhalb der schwarzen Bevölkerung Südafrikas nach dem Ende der Apartheid wider. Während ein kleiner Teil schnell Richtung Wohlstand durchgestartet ist, wähnt sich die Mehrheit in den Townships um die wirtschaftlichen Früchte der politischen Wende betrogen. So hat sich dort große Wut und Frustration angesammelt, die sich mit Gewalt, auch gegen die ?eigenen? Leute, Luft verschafft. Auch die Wahrheitskommission, so sinnvoll sie politisch gewesen sei, habe für viel Verbitterung gesorgt, erzählt Schmitz.

Mit seinen „Hijack Stories? gelingt es ihm mühelos, die präzise Gesellschafts-Analyse in ein virtuos rasantes Action-Epos mit veritablen Schießereien und Verfolgungsjagden zu verpacken. Der Grundton ist durchweg gallig-sarkastisch. Zu den subtilen Höhepunkten zählt, wenn Sox vor versammelter Ghetto-Gang mit einer aus Wesley-Snipes-Filmen destillierten Gewalttirade mächtig Eindruck schindet, während die Sylvester-Stallone-Nummer seines Lehrmeisters recht matt daherkommt.

Schmitz, 1960 in Kapstadt als Sohn deutscher Einwander geboren, entstammt der ersten Generation junger weißer Südafrikaner, die massiv gegen die Apartheid Stellung bezogen hat. Er war Mitbetreiber und DJ des legendären Nachtclubs „Scratch?, der sein Recht auf Publikum aller Hautfarben auch gegen Tränengas-Attacken der Polizei behauptete. Mitte der achtziger Jahre floh er vor dem drohenden Militärdienst (dank seines deutschen Passes) nach Dortmund, wo er beim WDR als Cutter unterkam.

Dort entstand auch das Drehbuch für den Film „Mapantsula?, der 1987 unter konspirativen Umständen (den Behörden wurde ein von allem Politischen bereinigtes Script vorgelegt) in Soweto gedreht wurde. Die Geschichte vom politisch unbedarften schwarzen Kriminellen, der sich im Gefängnis zum Widerstandskämpfer mausert („reine Agitprop?, schmunzelt Schmitz heute) gilt als einer der ersten südafrikanischen Anti-Apartheid-Filme. Offiziell verboten, verbreitete er sich auf Videokassetten wie ein Lauffeuer und ist, wie sein Regisseur immer noch stolz vermerkt, „in fast jedem Land der Welt? gezeigt worden. Probleme mit den (neuen) Machthabern, wenngleich auf deutlich niedrigerem Level, verschafften Schmitz auch die „Hijack Stories?. Bei der Berlinale verwahrte sich der Kulturattaché der Botschaft energisch gegen das angeblich negative Südafrika-Bild, die Kriminalität und den Zynismus, die darin verbreitet würden. Dabei, so der Filmemacher, sei die Gewalt im Film äußerst moderat, verglichen mit der Wirklichkeit.